Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kann für Kinder und ihre Umgebung sehr belastend sein. Es gibt verschiedene pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten, die bei manchen besser und bei anderen weniger gut wirken. Aber sie verbessern nur die Symptome, anstatt die zugrunde liegenden neurologischen Mechanismen anzusprechen, und sie können auch Nebenwirkungen haben.

Nahrungsergänzungsmittel – ein einfacher Ausweg aus einer schwierigen Situation?

Kein Wunder also, dass nach anderen Wegen gesucht wird, um betroffenen Kindern zu helfen. Möglicherweise durch eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen: Das legt eine amerikanische Studie von Jeanette M. Johnstone und Kollegen nahe, die ADHS-Kinder im Alter von sechs bis 12 Jahren über einen Zeitraum von 8 Wochen mit Mikronährstoffen oder einem Placebo versorgten. Folgen Sie dem Kopfsache-Kanal für weitere Themen zur psychischen Gesundheit Kinder sollten täglich sechs bis neun Tabletten einnehmen. Am Ende hatten laut ärztlicher (Blind-)Beurteilung 54 Prozent der behandelten Gruppe und 18 Prozent der Placebogruppe eine Besserung der Symptome. Anders verhielt es sich bei der Einschätzung der Eltern: Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Dies dürfte jedoch auf den starken Placebo-Effekt zurückzuführen sein – seitens der Eltern hatten sich die Symptome in beiden Gruppen deutlich gebessert. Daher sei über solche Studien mit Vorsicht zu berichten, sagt Ulrich Brennecke, Präsident des gemeinnützigen Vereins ADxS: „Natürlich wollen Eltern ihren Kindern helfen und haben oft große Hoffnungen auf relativ einfache Lösungen.“

Nährstoffmangel: Ein weiterer Stress

Brennecke ist nicht überrascht, dass Mikronährstoffe die Symptome medizinisch verbesserten. Auch frühere Studien deuteten in diese Richtung. Insbesondere die Einnahme von Vitamin D könnte Aufmerksamkeitsdefizitstörungen lindern, und ADxS hat wissenschaftliche Studien zu mehr als 20 weiteren Vitaminen und Mineralstoffen zusammengestellt. Wie die Vitamin-D-Studie zeigt, gibt es jedoch eine wichtige Einschränkung: Nahrungsergänzungsmittel helfen nur Kindern, die einen Mangel haben. „ADHS ist meist genetisch bedingt“, erklärt Brennecke. “Vitaminmangel hat nur einen geringen Einfluss darauf, wie stark die Symptome sind.” Wenn Kinder zusätzlichen Stress erleben, zum Beispiel durch Nährstoffmangel, kann dies die Symptome durchaus verschlimmern – und im Umkehrschluss wieder verbessern, wenn der Mangel behoben ist. Krankheiten nur mit Vitaminen und Mineralstoffen zu „behandeln“ ist daher utopisch, nimmt man doch nur einen von vielen Faktoren aus der Gleichung.

Mangel durch ungesunde Ernährung

Tatsächlich zeigen mehrere Studien, dass Kinder mit ADHS oft in Bezug auf Vitamine und Mineralstoffe unterernährt sind. Taiwanesische Forscher untersuchten die Essgewohnheiten von mehr als 200 Grundschulkindern. Das Ergebnis: Kinder mit ADHS aßen eher zucker- oder fettreiche Lebensmittel und seltener Gemüse, Obst und eiweißreiche Lebensmittel. Als Folge stellten die Forscher auch eine schlechtere Versorgung mit essentiellen Nährstoffen fest. Allerdings ist nicht klar, ob ADHS für ungesunde Ernährung verantwortlich ist oder umgekehrt, oder ob sich beide in einer Art Teufelskreis gegenseitig unterstützen. Allerdings ist es weder notwendig noch sinnvoll, Kindern wie in der Johnstone-Studie mehrere Tabletten täglich mit einem kompletten Mix aus Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Stoffen zu geben, noch über einen längeren Zeitraum tragbar. Ulrich Brenneckes Fazit: „Für die Diagnose von ADHS ist es sinnvoller, das Blut auf Defekte zu untersuchen und dann gezielt gegenzusteuern. Nahrungsergänzungsmittel oder Vitamine unterstützen jedoch bestenfalls die Behandlung und beseitigen keineswegs alle Symptome.“ Bildnachweis: Magnus Olin, unsplash