Behörden ermitteln: Luzerner fährt Mercedes und trägt Rolex – trotz 25 Zusagen

Gegen einen 38-jährigen Mann wird wegen Konkursbetrugs ermittelt – er soll mit Komplizen fast eine halbe Million Franken erbeutet haben. Allein im Kanton Zürich entstehen dadurch jährlich Schäden in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken. 1/8 Ein ehemaliger Geschäftspartner beschreibt TR als sehr charismatisch: „Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, wie viel Schaden er durch seine Praktiken anrichtet.“ Privatgelände R. zeigt gerne Luxusartikel, zum Beispiel einen Mercedes. Dem gegenüber steht ein großes Inkassoangebot mit 25 Einträgen, das in 20 Minuten vorliegt. Privatgelände Der 38-Jährige ist Kaufmann: Er war in den vergangenen fünf Jahren an mindestens sieben Unternehmen beteiligt, wie ein Blick ins Handelsregister zeigt. Wegen einem von ihnen ermitteln die Behörden jedoch gegen ihn. Privatgelände

Die Behörden werfen einem Luzerner Konkursbetrug in Höhe von fast einer halben Million vor. Ein ehemaliger Partner beschreibt den Mann als sehr charismatisch: „Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, wie viel Schaden er durch seine Praktiken anrichtet.“ Allein im Kanton Zürich verursachen solche Praktiken jährlich Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Auf Nachfrage wollte sich der Mann nicht äußern. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

TR (Initialen geändert) posiert für Fotos mit Luxusgütern: Sobald er in einem Mercedes auftaucht, zieren verschiedene Rolex-Uhren sein Handgelenk. Dem gegenüber steht ein großes Inkassoangebot mit 25 Einträgen, das in 20 Minuten vorliegt. Gläubiger sind beispielsweise ein Fitnessstudio, der Kanton Luzern oder eine Krankenkasse. Einen Teil der geschuldeten Beträge hat er bezahlt, insgesamt sind aber sieben Forderungen in der Abrechnung aufgeführt.

Geldwäsche und Konkursdelikte

Der 38-Jährige ist Kaufmann: Er war in den vergangenen fünf Jahren an mindestens sieben Unternehmen beteiligt, wie ein Blick ins Handelsregister zeigt. Wegen einem von ihnen ermitteln die Behörden jedoch gegen ihn. Zwischen Juli und Dezember 2016 sollen R. und seine Komplizen der Firma fast 450’000 Franken illegal abgezogen und mit gefälschten Rechnungen überdeckt haben. Die Staatsanwaltschaft Solothurn wirft TR laut einem seit 20 Minuten vorliegenden Gerichtsdokument unter anderem Geldwäscherei vor. Obwohl er das Unternehmen Anfang Juli 2016 verließ, sehen die Ermittler in ihm weiterhin den „echten CEO“. Auf Anfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft laufende Verfahren wegen betrügerischer Geschäftsführung, Misswirtschaft und sonstiger Konkurs- und Urkundendelikte. Ein ehemaliger Kollege beschreibt TR als sehr charismatisch: „Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, wie viel Schaden R. durch seine Praktiken anrichtet.“ Also zog er sich aus seiner Umgebung zurück. Aus Sorge um seine persönliche Sicherheit möchte er anonym bleiben.

Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe

Was R. vorgeworfen wird, sei ein bekanntes Vorgehen, sagt Andrea Jug-Höhener, Chefermittlerin für Wirtschaftsdelikte bei der Kantonspolizei Zürich. Noch häufiger ist eine andere Art der sogenannten Konkurskavalkade (siehe Kasten): „Ein Unternehmer übernimmt ein Unternehmen, rettet es und lässt es dann bankrott gehen.“

“Das sind keine Kleinigkeiten”

Privatgelände Herr Kälin*, was ist die Insolvenzkavallerie? Typischerweise steht am Anfang ein Unternehmen, das in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Ein Vermittler bietet an, das Unternehmen oft gegen eine Gebühr an einen sogenannten „Undertaker“ zu übertragen. Der Unternehmer verlegt den Firmensitz in einen anderen Kanton und mietet zum Beispiel Autos oder kauft im Auftrag Waren ein. Geschäfte interessieren ihn nicht. Das Unternehmen wird früher oder später bankrott gehen. Gläubiger bekommen nichts, weil die Kassen leer und die Ware weg ist. In welchen Branchen ist es am häufigsten? In der Regel sind kleinere Betriebe der Gastronomie oder des Baugewerbes betroffen, dies muss aber nicht zwingend der Fall sein. Wie wird die Straftat geahndet? Insolvenz ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Auch andere Delikte sind möglich, wie z. B. unredlicher Geschäftsverkehr und Urkundenfälschung. Es gibt also keine Kleinigkeiten. *Oliver Kälin ist Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf Konkursrecht und Leiter der Zürcher Anwaltskanzlei „kaelin.legal AG“. Nach einem Rückgang in den letzten zwei Jahren nimmt die Insolvenz im Kanton Zürich ab Anfang 2022 wieder zu, so Jug-Höhener. Neben Geschäftspartnern wird auch die Allgemeinheit stark geschädigt. Für die Schweiz liegen dem Bund keine Daten vor, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft auf Anfrage schreibt. Aber: «Allein im Kanton Zürich beläuft sich der jährliche Schaden, der durch solche Verbrechen verursacht wird, auf dreistellige Millionenbeträge», sagt Jug-Höhener. Um den Schaden zu begrenzen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden erforderlich. Im März 2022 beschloss das Parlament zudem strengere Gesetze zur Bekämpfung des systematischen Insolvenzmissbrauchs: „Das begrüßen wir ausdrücklich“, sagt die Forscherin Jug-Höhener. TR selbst wollte sich auf Nachfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Verpassen Sie keine Neuigkeiten mehr Mit dem täglichen Update bleiben Sie bei Ihren Lieblingsthemen auf dem Laufenden und verpassen keine News mehr zum aktuellen Weltgeschehen. Holen Sie sich täglich das Wichtigste kurz und prägnant direkt in Ihr Postfach.