Ab: 14.04.2022 18:00 Uhr                 

Mit Millionenschäden wollte Volkswagen ein dunkles Kapitel der Firmengeschichte abschließen. Die Opfer entschuldigen sich jedoch – wogegen sich das Unternehmen bis heute wehrt.

Fragt man VW in Wolfsburg, heißt es, das Unternehmen habe bereits übernommen. „Volkswagen ist sich seiner historischen Verantwortung bewusst“, sagte ein Unternehmenssprecher. „Aus diesem Grund war Volkswagen das erste ausländische Unternehmen, das seine Geschichte während des brasilianischen Militärregimes aufgearbeitet und veröffentlicht hat.“ Doch NDR-Recherchen zeigen, wie sich VW in Brasilien bis zuletzt gegen jedes Schuldeingeständnis wehrte – erfolgreich.

Das ist die Verantwortung von Volkswagen für Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur in Brasilien. Eine Recherche von NDR, SWR und Süddeutscher Zeitung hatte ergeben, dass Volkswagen offenbar aktiv an der politischen Verfolgung und Unterdrückung von Regimegegnern in Brasilien beteiligt war.

Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurden die Arbeiter der Folter ausgeliefert. Im September 2020 einigte sich VW mit den brasilianischen Justizbehörden darauf, den Fall abzuschließen. Das Unternehmen zahlte rund 5,5 Millionen Euro, wovon etwa die Hälfte an die Opfer der damaligen Zeit ging.

Feuer Brief

Ein Schreiben von VW, das dem NDR vorliegt, zeigt, wie Volkswagen die Verhandlungen kurz vor der Einigung stoppen wollte. Im Juni 2020 schrieb VW do Brasil an die brasilianischen Justizbehörden, dass das Unternehmen aufgrund der durch die Pandemie verursachten finanziellen Schäden nicht in der Lage sei, die geplanten Entschädigungszahlungen zu leisten: Die unvermeidliche Unvorhersehbarkeit der kommenden Monate – sei es die Entwicklung des Gesundheitsnotstands Covid 19 in Brasilien oder die Rückkehr von Lieferketten und Händlern – macht es Volkswagen unmöglich, sich jetzt auf die Einigung festzulegen.

Andere finanzielle Verpflichtungen, etwa das Sponsoring des VfL Wolfsburg, gehen bei VW weiter, mit 70 Millionen Euro fast das 13-fache der geplanten Abfindung. Kurz nach dem Schreiben kehrte Volkswagen jedoch an den Verhandlungstisch zurück. Auf Nachfrage äußerte sich Volkswagen dazu in Wolfsburg nicht.

Besorgt über die Vergangenheit?

Der Vergleich wurde im September 2020 geschlossen. „Volkswagen will mit diesem Vergleich die Aufklärung der Wahrheit über damalige Menschenrechtsverletzungen vorantreiben“, schrieb das Unternehmen später in einer portugiesischen Pressemitteilung.

In den Vergleichsunterlagen des NDR heißt es anders: „Volkswagen of Brazil schließt diesen Vergleich ohne Anerkennung einer Haftung des Unternehmens, seines Managements, seiner Mitarbeiter oder seiner Angestellten für die in den Ermittlungsakten untersuchten Handlungen und Ereignisse. „Also weigert sich das Unternehmen, seine Schuld bis zum Schluss einzugestehen. Warum das so ist, will VW nicht beantworten.

Vergleich mit der Justiz in Brasilien: VW entschädigt Opfer der Militärdiktatur

24.09.20 20:13 Uhr

Die Gründe sind wohl rechtlicher Natur, sie wollten wohl keinen Präzedenzfall schaffen. „Bisher waren die juristischen Aussagen eher mangelhaft“, sagt Wolfgang Kalek vom ECCHR, Anwalt des Kronzeugen Lucio Belentani. „Letztendlich hat das Team der Zahlung zugestimmt. Der nächste Schritt sollte eine Entschuldigung als menschliche Geste sein.“

Kein Eingang

Eine solche Entschuldigung war bereits Streitpunkt in den Verhandlungen mit den brasilianischen Justizbehörden: VW soll laut Ermittlern öffentlich für seine Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen entschuldigt werden. In der Vergleichsvereinbarung wurde VW dazu verpflichtet, sich in Zeitungsanzeigen dazu zu äußern. Die Wortwahl wurde dem Unternehmen überlassen. Anzeigen im März 2021 hieß es damals nur: „Volkswagen bedauert zutiefst die Menschenrechtsverletzungen, die während der Diktatur stattgefunden haben, und drückt seine Unterstützung für mögliche Vorfälle aus, die unsere Mitarbeiter und ihre Familien und deren Familien betrafen das Unternehmen stand “.

Bis heute wurde keine Schuld anerkannt. Volkswagen hatte beim Bielefelder Historiker Christopher Cooper sogar eine historische Studie in Auftrag gegeben. Dies habe zu dem Schluss geführt, dass VW und das Militärregime systematisch kooperiert hätten.

                Im Raum erklärte der Historiker Cooper, was für eine Zusammenarbeit es zwischen dem Unternehmen und der Diktatur gab.  Bild: REUTERS

In einer Pressemitteilung von VW aus dem Jahr 2017 soll Kopper gesagt haben: „Es wurden keine eindeutigen Beweise dafür gefunden, dass die Zusammenarbeit auf institutionellem Handeln des Unternehmens beruhte.“

Kopper widerlegte diese Beschreibung vehement: Er fand „Beweise dafür, dass die Werkssicherheit mit der Geheimpolizei kooperierte.

Aus Wolfsburg heißt es heute, der Inhalt der Pressemitteilung sei mit Cooper abgestimmt worden und es habe keine Diskrepanz zwischen dem Auszug und der Studie gegeben. “Es gibt keine Hinweise auf institutionelle Maßnahmen wie einen Arbeitsauftrag.” Angesichts der Aussagen sagte Cooper: “Dann haben Sie die Studie nicht richtig gelesen.”

Obwohl ihm das Präparat vorgelegt und hastig unterschrieben wurde, steht es in völligem Widerspruch zu seinen Forschungsergebnissen. „Es gab keine Arbeitsanweisungen, aber es gab ein institutionelles Arbeitsverhältnis zwischen der Sicherheit des VW-Werks und der Zivilpolizei – mit Wissen des Vorstands, sowohl in Brasilien als auch in Wolfsburg“, sagt der Historiker. “Ich bin überrascht, dass Teile des Unternehmens immer noch leugnen, was sie nicht leugnen können.” …