Doch der Finanzminister steht mächtig unter Druck: Erst gab es heftige Kritik an der mehrtägigen Hochzeitsfeier (für Lindner eine “Privatsache”), dann Berichte über angeblich zu große Nähe zum Autobauer Porsche. Außerdem wollen SPD und Grüne neue Milliarden aus Lindners Etat – und die FDP liegt in den Umfragen bei 9 % (die Grünen bei 22). BILD am SONNTAG: Herr Lindner, mögen Sie es zuhause und im Büro lieber schön kühl oder warm anstoßen? Christian Lindner: “Wenn ich wählen kann, hätte ich lieber ein schönes Büro.” Lindner interviewt die BILD am SONNTAG-Redakteure Roman Eichinger (links) und Burkhard Uhlenbroich im Büro des Ministers Foto: ©Niels Starnick/Image/BamS
Ihre Klimaanlage läuft also trotz Energiekrise auf Hochtouren? Lindner: „Nein. Aber wir müssen dafür sorgen, dass auf die Gaskrise keine Stromkrise folgt. Deshalb kann Gas nicht mehr zur Stromerzeugung genutzt werden, wie es noch immer der Fall ist. Robert Habeck hätte die gesetzliche Befugnis, dies zu stoppen. Stattdessen müssen wir uns andere Energiekompetenzen aneignen. Vieles spricht dafür, sichere und klimafreundliche Atomkraftwerke nicht abzuschalten, sondern notfalls bis 2024 zu nutzen.“ Auch interessant Wie spart man Energie? Lindner: „Natürlich versuche ich, mit Energie sparsam umzugehen. Eine Familie mit vielen Kindern hat es schwerer als ich. Bei den Verhaltensregeln für Privathaushalte bin ich allerdings vorsichtig. Weil Politiker ihre Hausaufgaben machen müssen.” Bundeskanzler Scholz will das Wohngeld ausweiten. Werden Sie dafür die nötigen Milliarden ausgeben? Lindner: „Es ist ein gemeinsames Projekt. Besonders betroffen sind Menschen mit geringem Einkommen. Beim neuen Wohngeld sollten wir auch an Rentner denken, die zwar in einem eigenen Häuschen wohnen, aber wegen einer kleinen Rente hohe Preise fürchten. Wir können die Wohngeldreform finanzieren, wenn wir sorgfältig haushalten. Denn nur was geschaffen ist, kann verbreitet werden.” Gas kann nicht mehr zur Stromerzeugung genutzt werden Trotzdem: Sie können Ihr Budget wegen der Energiekrise nicht vergessen? Lindner: „Nein, ich habe Vorkehrungen getroffen. Leitplanken sind vorhanden. Keine Steuererhöhung, weil das die Finanzkrise verschlimmert. Zurück zur Schuldenbremse, denn das bekämpft die Inflation. Erleichterung für Menschen, um das Leben einfacher zu machen. Und Rekordinvestitionen zur Zukunftssicherung. Gut zehn Milliarden Euro stehen im Budget für noch nicht abgeschlossene Projekte und für Eventualitäten zur Verfügung.” Hartz-IV-Empfänger sollen bald 50 Euro mehr im Monat bekommen, wenn es nach Bundesarbeitsminister Heil und den Grünen geht. Sagst du auch nein dazu? Lindner: „Bezieher des neuen Bürgergeldes sollen besser gestellt sein als unter Hartz IV. Ich denke vor allem mehr Qualifizierungsangebote und mehr Respekt vor denen, die nebenbei schon einen Job machen. Heute müssen Hartz-IV-Empfänger teilweise auf 80 Prozent ihres Lohns verzichten. Das ist ineffizient. Wir sollten jedoch die Berechnungsmethode für passive Dienste nicht ändern. Allein aufgrund steigender Preise werden Regelsatz-, Miet- und Heizkostensteigerungen ohnehin vom Steuerzahler getragen. Anders sieht es bei Arbeitnehmern aus, die trotz ihres geringen Einkommens alles selbst bezahlen. Wir haben nicht die Mittel, um mehr Geld an alle Sektoren zu verteilen.”

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Sie wollen auch den Lohn- und Einkommensteuersatz senken. Berechnungen haben nun ergeben, dass Menschen mit einem Jahreseinkommen von mehr als 300.000 Euro am meisten profitieren, während Menschen mit geringem Einkommen kaum davon profitieren. Bieten Sie eine Police für Besserverdiener an? Lindner: „Was war die Anklage? Ich habe noch kein Angebot gemacht. Mein Anliegen ist es, die Mitte des Landes, vom Facharbeiter bis zum Ingenieur, vor heimlichen Steuererhöhungen zu schützen. Wenn wir den Steuersatz nicht anpassen, werden alle fallen und mehr zahlen. Außerdem müssen der steuerfreie Lebensstandard und das Kindergeld erhöht werden. Denn der Staat sollte nicht Gewinner der Inflation sein.” Wenn der Tankrabatt Ende August endet, soll Benzin plötzlich 30 Cent pro Liter teurer werden. Werden die Fahrer dann entschädigt? Lindner: „Der Rabatt auf Kraftstoff und das Ticket von 9 Euro verfällt. Eine weitere Regelung wird es nicht geben. Für eine Erhöhung des Pendlerpauschales wäre ich offen. Davon profitieren alle, denn das gilt unabhängig von Auto, Bahn oder Fahrrad.“ Foto: BILD
Wie eng sind Ihre Kontakte zur Automobilindustrie? Lindner: „Ich stehe in Kontakt mit allen Bereichen der Wirtschaft. Der Vorsitzende der IG Metall saß dort, wo Sie sind. Wir müssen im Gegenzug sein. Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und Wohlfahrt sind keine Garantien. Alles muss verdient werden. Die Politik muss dort gute Rahmenbedingungen schaffen.“ Sie unterstützen wie Porsche E-Fuels, die Verbrennerfahrzeuge künftig klimafreundlich antreiben könnten. Lindner: „Nicht ganz, ich bin seit Jahren für Technikoffenheit und gegen die Verbotspolitik des Verbrennungsmotors. Denn mit E-Fuels kann es klimaneutral werden. Welche Rolle Elektrifizierung und klimaneutrale Alternativen spielen, muss dann der Markt entscheiden. Auf jeden Fall dürfen wir eine Schlüsselindustrie, die Hunderttausende Menschen beschäftigt, nicht schwächen.” Dieser Artikel stammt von BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe ist verfügbar hier.