Valentin Schwarz (2.vr) und sein Team treten gegen Buhorkan an © APA/MARTIN FICHTER-WOESS
Am Ende wehte dem jungen österreichischen Regisseur Valentin Schwarz und seinem Team nach dem Ende des neuen „Ring des Nibelungen“ am Freitagabend im Bayreuther Festspielhaus der erwartete raue Wind eines Sturms ins Gesicht. Mit der bisweilen kraftvollen „Götterdämmerung“ vollendete der 33-jährige Dramatiker seine Neuinterpretation von Wagners Tetralogie – und die Neuinterpretation ist hier im wörtlichen Sinne zu verstehen. Schwarz analysiert die mythischen Ereignisse um die Macht der Götter und Menschen, den Kampf um die Weltordnung, in einer zutiefst menschlichen Familiensaga im Stil großer Streaming-Serien. Zwerge, Drachen, Bären, Unsichtbarkeitsumhänge oder mächtige Ringe haben mit Schwarz nichts zu suchen. Das Publikum der Bayreuther Festspiele buhte minutenlang aus, was auch durch einzelne Bravo-Einsätze nicht zu kontern war. So endet der neue „Ring“ in Bayreuth, der mit seiner Radikalität, die Grenzen des Librettos sprengt und statt auf den großen Bogen einer Chronik zu setzen, vielleicht der erste wirkliche „Ring“ des 21. Jahrhunderts ist. Zuvor hatte Frank Castorf sehr spät in seiner Biografie ein verspätetes Werk über den Fall des Kommunismus und den Untergang des Kapitalismus abgeliefert, und sein Vorgänger Tankred Dorst beleuchtete vor allem den mystischen Aspekt. Der Blickwinkel von Supergenerationengeschichten hingegen ist der Erzählstil der Zeit, nicht zuletzt dank der breiten Geste der Streaming-Anbieter, und Schwarz nutzt ihn. Der große Vorteil ist die Ausleuchtung der ansonsten unterbelichteten Zeichen in der Tetralogie und der geringere Abstand zu den Figuren. Die Strafe ist eine gewisse eindimensionale Lesart, die viele der philosophischen Aspekte und mythologischen Schichten des Stücks einfach völlig ignoriert. Richard Wagners Der Ring des Nibelungen: Götterdämmerung bei den Bayreuther Festspielen. Musikalische Leitung – Cornelius Meister, Regie – Valentin Schwarz, Bühne – Andrea Cozzi, Kostüme – Andy Visit. Mit Siegfried – Clay Hilley, Gunther – Michael Kupfer-Radecky, Alberich – Olafur Sigurdarson, Hagen – Albert Dohmen, Brünnhilde – Iréne Theorin, Gutrune – Elisabeth Teige, Waltraute – Christa Mayer, 1. Norn – Okka von der Norniau, Müther, 3. Norn – Kelly God, Woglinde – Lea-ann Dunbar, Wellgunde – Stephanie Houtzeel, Floßhilde – Katie Stevenson. Weitere Shows am 15. und 30. August. bayreuther-festspiele.de