Erneut sollen ausländische Richter einem politischen Deal im Wege stehen. Denn EU-Staaten müssen Abkommen mit Nicht-EU-Staaten im Energiebereich der EU-Kommission vorlegen, die dann auf Vereinbarkeit mit Unionsrecht geprüft wird. Für das Solidaritätsabkommen mit Bern muss Berlin deshalb den Segen von Brüssel erhalten.

Kein Deutschlandzustand

„Ein besonderes Problem stellt sich bei der Streitbeilegung: Deutschland hat der Schweiz vorgeschlagen, dass im Streitfall der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden soll“, heißt es in dem Artikel von CH Media. 

“Falsch!”, argumentiert man gegenüber der Bundesverwaltung. Deutschland hat der Schweiz keine Vorschläge gemacht, wie bei Meinungsverschiedenheiten über den Deal vorgegangen werden soll. Und die EU empfiehlt lediglich, eine Streitbeilegungsklausel in das Abkommen aufzunehmen. Was richtig ist: Bern schlug ein Schiedsgericht in Berlin vor. Das zuständige Departement für Umwelt und Energie (UVEK) äußert sich nicht zum Verhandlungsverlauf des Solidaritätsabkommens, das auf Initiative von Bundesrätin Sommaruga geführt wird. Es bedeutet nur, dass daran gearbeitet wird.

Unfallvertrag

Die Solidaritätsvereinbarung käme nur in äußersten Notfällen zum Tragen. Eine Reihe von Maßnahmen müssen im Vorfeld getroffen worden sein. Erstens gibt es Aufrufe zum freiwilligen Energiesparen. Dann müssen Unternehmen mit Dual-Fuel-Anlagen, also Anlagen, die nicht nur mit Erdgas, sondern auch mit Öl betrieben werden können, auf Öl umsteigen. Besteht weiterhin eine Knappheit, werden Gaslieferungen an Unternehmen, nicht aber an private Haushalte und Krankenhäuser, kontingentiert. Und wenn nichts davon zuträfe, würde die Vereinbarung in Kraft treten, kündigte UVEK an. Deutschland hat bereits Solidaritätsabkommen mit Österreich und Dänemark geschlossen. Laut Uvek sind solche Vereinbarungen weitgehend standardisiert. Sie regeln tägliche Lieferungen, was bedeutet, dass Solidaritätsgesuche täglich erneuert werden müssen. Sie sind für wenige Tage Gasknappheit gedacht, nicht aber für längere Ferien.

Zweifel an der Deutschschweiz

Aber die Energieabteilung weiß, dass es in einer Energiekrise keine Garantie dafür gibt, dass Deutschland – Vertrag hin oder her – Erdgas liefert. Es ist daher zwingend erforderlich, dass die Schweizer Gaswirtschaft den Auftrag des Bundesrates erfüllt und Speicherkapazitäten in den Nachbarländern sowie Optionen für zusätzliche Gaslieferungen sichert. Dass das Departement von Simonetta Sommaruga dies immer wieder betont, lässt in der Branche Zweifel aufkommen: Liefert die Schweizer Gaswirtschaft wirklich die nötige Erdgasmenge mit dem nötigen Nachdruck? Während die Westschweiz nach Angaben der Bundesverwaltung auf Kurs sei, habe die Deutschschweiz bei der Versorgung noch Luft nach oben. Der Bundesrat stellte gegenüber der Branche klar: «Sie bekommen in jedem Fall die benötigte Menge Erdgas, und wir garantieren Ihnen finanzielle Hilfen, wenn Sie sie brauchen.» Mehr zum Thema Energiemangel