„Daher kann Strom nicht mehr wie bisher mit Gas produziert werden.“ Mit Blick auf den Bundesfinanzminister sagte Lindner: “Robert Habeck hätte die rechtliche Befugnis, dies zu verhindern.” Dekarbonisierung, Klimawandel, Sektorkopplung: Das Energie- und Klimabriefing. Für Entscheider und Experten aus Wirtschaft, Politik, Verbänden, Wissenschaft und NGOs. Jetzt kostenlos testen! Der Finanzminister hat sich in diesem Zusammenhang erneut für die Fortführung des Betriebs von Kernkraftwerken in Deutschland ausgesprochen, um „andere Strompotenziale“ zu akquirieren. „Vieles spricht dafür, sichere und klimafreundliche Atomkraftwerke nicht abzuschalten, sondern notfalls bis 2024 zu nutzen.“ Ein Sprecher von Finanzminister Habeck (Grüne) sagte am Sonntag: „Es darf keine Fehleinschätzung geben: Der komplette Verzicht auf Erdgas im Stromsektor führt zu einer Stromkrise und Stromausfällen. Dem System sind gasbefeuerte Kraftwerke zugeordnet, die mit Erdgas betrieben werden müssen. Bekommen sie kein Gas, kommt es zu schweren Störungen. Leider ist dies die Realität des Stromsystems, der Sie sich bewusst sein müssen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“ Doch wo Gas in der Stromerzeugung ersetzt werden kann, sollte es ersetzt werden – und daran wird schon lange auf Hochtouren gearbeitet. [Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.] Ein erster Erlass erlaubt Kohlekraftwerken bereits befristet die Rückkehr an den Strommarkt aus sogenannten Netzbeständen. In Arbeit ist nach Angaben des Ministeriums auch ein Gassparerlass zur Abschaltung von Kraftwerken, die nicht mit dem System in der Stromerzeugung in Verbindung stehen. Die Braunkohlehalde wird am 1. Oktober aktiviert. Bereits stillgelegte Braunkohlekraftwerke könnten wieder in Betrieb gehen. Aufgrund der Befürchtung einer Unterbrechung der russischen Gaslieferungen wird derzeit über eine mögliche Laufzeitverlängerung der letzten noch verbliebenen deutschen Kernkraftwerke diskutiert. Auch die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, schloss eine Wiederaufnahme aus. Lang sagte am Sonntag im ZDF-Sommerinterview vor den Ausführungen des Finanzministers: „Was Christian Lindner will, ist nichts anderes als eine Rückkehr zur Atomkraft. Und das wird bei uns sicher nicht passieren.” Lang bemängelte die „mangelnde Ernsthaftigkeit“ in der Debatte. Gaskraftwerke werden in Deutschland nur in sehr geringem Umfang zur Stromerzeugung genutzt und könnten nur in sehr geringem Umfang durch Kernkraft ersetzt werden. „Wir haben ein Hitzeproblem, kein Stromproblem“, sagte Lang.
Auch über Neubauten wird diskutiert
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolff, sprach sich für einen Weiterbetrieb und die Diskussion über den Bau neuer Reaktoren aus. „Ich halte es für absolut notwendig, dass Atomkraftwerke länger laufen“, sagte Wolf den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine verlängerte Lebensdauer der drei noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke könnte die gasbefeuerte Stromerzeugung erheblich reduzieren und dazu beitragen, die Stromversorgung zu sichern, wenn Erdgas nicht mehr verfügbar ist. „Aber wir müssen auch über den Bau neuer Atomkraftwerke diskutieren“, so Wolf weiter. „Derzeit werden weltweit 50 neue Kernkraftwerke gebaut, und die Technologie ist fortgeschritten. Die EU hat die Kernenergie gerade als grüne Energie bezeichnet.’
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Derzeit sind in Deutschland drei Kernkraftwerke am Netz: Emsland in Niedersachsen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Per Gesetz müssen sie aber Ende 2022 stillgelegt werden. Sie diskutieren unter anderem darüber, sie in einem sogenannten Stretch-Betrieb einige Monate länger laufen zu lassen.
54 Prozent der Grünen-Wähler sprechen sich für eine Weiterführung aus
Union und FDP werben dafür, zumindest eine begrenzte Wiederaufnahme des Betriebs nach dem Jahreswechsel zu ermöglichen. Vor allem SPD und Grüne sind noch skeptisch. Auch wollen sie den Betrieb im Krisenfall zumindest vorübergehend nicht generell ausschließen. Die Präsidentin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Eine Verlängerung der Amtszeit kann es bei uns nicht geben. Und eine Verlängerung der Ausführungszeit ist besser als eine Dehnungsoperation.“ Es ist nicht notwendig und teuer. „Und Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Was wir brauchen, ist der Ausbau erneuerbarer Energiequellen.“ Laut einer Insa-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ befürworten 54 Prozent der Grünen-Wähler eine Laufzeitverlängerung der Energieversorgung, um unabhängiger von russischem Gas zu werden. (AFP, dpa)