Am Montag hat sich das Justizministerium zur Kritik der Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes von der Staatsanwaltschaft Wels (StA) im Fall Kellermayr geäußert. Zerbes sagte, dass die von virtuellem Hass und Drohungen verfolgte Ärztin Lisa-Maria Kellermayr viel früher hätte untersucht werden können. Für das Justizministerium war jedoch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft in Wales überzogen. Erst seit vergangenem Donnerstag – sechs Tage nach Kellermayrs Suizid – ermitteln die Behörden wegen gefährlicher Suiziddrohungen. Kellermayr hat am 22.11.2021 erstmals Anzeige erstattet, weil sie als Unterstützerin von Maßnahmen gegen das Coronavirus und der Impfung gegen Covid-19 Anfeindungen und Morddrohungen im Internet ausgesetzt war. Zunächst war es nicht möglich, die Tatverdächtigen ausfindig zu machen, und die Strafverfolgungsbehörden in Oberösterreich sahen zunächst keine Zuständigkeit im Inland. Zerbes stellte in diesem Zusammenhang am vergangenen Freitag unter Berufung auf einschlägige Medienberichte fest, dass die fortgesetzten Drohungen gegen Kellermayr im vergangenen Herbst hätten ausreichen müssen, um das interne Verfahren zur Dauerverfolgung nach § 107a StGB einzuleiten. „Damit, dass die Frau in Österreich Textnachrichten erhalten hat, die geeignet waren, ihre Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, ist der dafür erforderliche Zwischenerfolg – ​​die Kontaktaufnahme nach § 107a Abs. 2 Z 2 StGB – eingetreten“, sagte er Zerben.

Kontaktaufnahme „ist kein häuslicher Tatort“

„Die anhaltende Strafverfolgung nach § 107a StGB (sowie § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) ist keine erfolgreiche Straftat, sondern nach herrschender Auffassung eine gefährdende Tätigkeit oder potentielle Straftat“, teilte das Justizministerium mit. Und weiter: „Ähnlich wie die gefährliche Drohung, die auch an das Opfer gerichtet werden muss, stellt die telekommunikative oder sonstige Kommunikationsaufnahme eines Täters im Ausland mit einer in Deutschland befindlichen Person keinen inländischen Tatort dar .” Am 7. Juli hat die Oberste Staatsanwaltschaft (OStA) als Oberbehörde des StA Wels dem Ministerium einen Auskunftsbericht zum Stand der Ermittlungen im Verfahren gegen unbekannte Täter wegen gefährlicher Drohungen gegen Kellermayr vorgelegt. Er wies darauf hin, dass die strafrechtliche Verfolgung der Verdächtigen – von denen einige inzwischen ermittelt wurden –, die vermutlich von Deutschland aus operieren und dort ihren Wohnsitz haben, aufgrund fehlender innerstaatlicher Zuständigkeit eingestellt wurde. Wie das Justizministerium betont, habe das StA Wels auch die für den Tatort in Deutschland zuständigen Strafverfolgungsbehörden informiert, „damit die Ermittlungen dort fortgesetzt werden können“. Fazit: „Die Fachaufsicht des Bundesministeriums der Justiz konnte aufgrund der Erkenntnisse des StA-Wels-Berichts keinen Anlass für das Eingreifen einer Fachaufsicht finden.“ Maßnahmen der Fachaufsicht seien daher „nicht sachgerecht“.

Zerbes war nicht überzeugt

Dass das StA Wels § 107a StGB als reines Tätigkeitsdelikt ansah und damit die österreichische Zuständigkeit ausschloss, beruhte maßgeblich auf einer Passage des sogenannten Wiener Kommentars zum Strafgesetzbuch (StGB). Diese wird auch von namhaften Anwälten vertreten. Auch Zerbes hat sich mit diesem Kommentar auseinandergesetzt. Dies überzeugt sie jedoch nicht. Denn: „Die Kontaktaufnahme durch Telekommunikation – so der Gesetzeswortlaut – muss als (Zwischen-)Erfolg gewertet werden. Das reicht zur Feststellung der Verantwortlichkeit“, wie er am Montag bestätigte. Dies geht übrigens auch aus anderen Passagen des Wiener Kommentars hervor und ist auch im Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch vertreten. “Die Staatsanwaltschaft hat diese Quellen offensichtlich nicht verwendet”, sagte Zerbes.

Holen Sie sich Hilfe, wenn Sie Gefahr laufen, sich umzubringen

Für Menschen in akuten Krisen gibt es eine Reihe von Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen. Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken finden Sie unter www.suizid-praevention.gv.at. Telefonische Hilfe ist auch verfügbar unter: Kriseninterventionszentrum (Mo-Fr 10-17 Uhr): 01/406 95 95, Kriseninterventionszentrum.at Rat und Hilfe bei Suizidgefahr 0810/97 1 55 Notfallhilfe (0-24/31 Uhr): 30 Gemeindepsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79 Telefonsprechstunde (0-24 Stunden, kostenlos): 142 Funksprechstunde (0-24 Stunden, für Kinder und Jugendliche): 147 Beratungschat und Verhalten: bittelebe.at Auch der relativ junge Verein „Bleib bei uns“ bietet Menschen mit Suizidgedanken und ihren Angehörigen Hilfe an. www.bleibbeiuns.at (WAS)