„Wer nicht verachtet, kann nicht geachtet werden“, sagte Friedrich Schlegel einmal zu Lucinde. Kaum ein Regisseur kann das so gut wie François Trypho. Bis heute sprühen seine filmischen Texte vor Verachtung oder Begeisterung, seine Filme erfreuen sich an obsessiven Liebesgeschichten und schockieren vor schmerzlichem Verlust. Neunzig Jahre nach seiner Geburt widmet das Filmarchiv Austria dem 1984 an einem Hirntumor verstorbenen Regisseur der Nouvelle Vague nun eine Retrospektive. Das österreichische Interesse an diesem Film gilt Tryfos Zusammenarbeit mit der Schauspiellegende Oskar Werner in „Jules und Jim“ und „Fahrenheit 451“. In den letzten Jahrzehnten hat Truffauts Arbeit begonnen, etwas Staub aufzuwirbeln. Seine Faszination für realistische Formen der Literatur (Balzac, Stendhal) und das klassische Hollywood-Kino (Hitchcock, Chaplin) haben ihn zu dem dominanten, bürgerlichen Geschmack geführt, den er einst bekämpfte. Heute repräsentiert Truffaut eine klischeehafte Form des französischen Kinos, begleitet von Liebesaffären, geistiger Erotik und nachdenklichen Dialogen in einem Café vor dem Panorama des Eiffelturms. Ein Vorurteil? Es lohnt sich, noch einmal hinzuschauen.