Dr. Dominik Jarczak, Facharzt für Innere Medizin, Notfallmedizin und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), erläutert diesen speziellen Ansatz zur Blutreinigung und was bisher darüber bekannt ist. Kürzlich schloss er eine Pilotstudie zur Reinigung des Blutes schwerkranker Patienten mit COVID-19 ab. Dr. Jarczak, wo sollten wir Blutwäsche im Vergleich zu langfristigem COVID medizinisch klassifizieren? Zunächst muss klargestellt werden, dass es bei COVID-19 keine „Blutwäsche“ gibt. In der Medizin gibt es unterschiedliche Verfahren zur Blutreinigung, die jeweils bei bestimmten Krankheiten zum Einsatz kommen. Da ist zum Beispiel die sogenannte Hämodialyse, die routinemäßig bei eingeschränkter oder versagender Nierenfunktion eingesetzt wird. Es gibt auch das als Plasmapherese bekannte Verfahren, bei dem die Blutflüssigkeit, genannt „Plasma“, ersetzt wird. Wir Ärzte setzen diese Technik zum Beispiel bei bestimmten Autoimmunerkrankungen ein. Und dann gibt es noch eine Reihe von Prozessen, die sich voneinander unterscheiden, zum Beispiel durch den Einsatz unterschiedlicher Filter oder sogenannter Adsorptionsmittel. Dazu gehört „Blutwäsche“ für die von COVID-19 Betroffenen. Wie genau funktioniert dieses spezielle Blutwaschverfahren? Eine Infektion mit COVID-19 löst eine Entzündungsreaktion in unserem Immunsystem aus, um das Virus zu bekämpfen. Meist besteht ein sehr ausgewogenes Gleichgewicht an Botenstoffen, die Entzündungen lokal kontrollieren und begrenzen. Einige Patienten mit COVID-19 erleben jedoch eine sehr starke und unkontrollierte Entzündungsreaktion, die den gesamten Körper betrifft. Die Folge: Organe funktionieren nur noch eingeschränkt, das Kreislaufsystem wird instabil und das Leben der Patienten gefährdet. Blut ist für das Immunsystem von grundlegender Bedeutung, da sich die überwiegende Mehrheit der Zellen und Botenstoffe des Immunsystems im Blut befinden. Überschüssige Botenstoffe sollen durch das von uns angewandte Blutreinigungsverfahren per Adsorption aus dem Blut entfernt werden. Die Adsorption wirkt wie ein Magnet oder Klebstoff, der die Botenstoffe festhält und aus dem Kreislauf entfernt. Hoffentlich beruhigt das danach das „Chaos“ im Immunsystem und lindert die Symptome. Wie funktioniert das in der Praxis? Bei unserem Verfahren wird das Blut mit Hilfe von Kanülen aus dem Körper abgeleitet, die Botenstoffe durch sogenannte Adsorption in einer Kartusche gesammelt und das Blut anschließend wieder dem Körper zugeführt. Auf der Intensivstation geschieht dies kontinuierlich über mehrere Tage, aber die Verfahren, die in Ambulanzen für Patienten mit Langzeit-COVID-19 angewendet werden, sind höchstwahrscheinlich eine andere Technik, die sich über mehrere Tage erstreckt und dann jeweils einige Stunden dauert. Sie haben kürzlich eine Pilotstudie zur Blutreinigung abgeschlossen. Was genau hast du dir angeschaut? Wir haben eine kleine Pilotstudie aufgesetzt, um die Wirksamkeit eines Blutreinigungsverfahrens – der sogenannten Adsorption – bei Patienten mit akuter und schwerer COVID-19-Erkrankung zu untersuchen. 24 Patienten, die aufgrund einer schweren COVID-19-Infektion auf unserer Intensivstation aufgenommen wurden, nahmen daran teil. Wir wollten wissen, ob sich ihr Gesundheitszustand mit diesem Eingriff stabilisieren lässt. Was hat Ihre Studie gezeigt – hilft Blutwäsche? Die Allgemeinsymptome der Studienpatienten verbesserten sich durch die Blutreinigung durch Adsorption. Dadurch stabilisierte sich der Kreislauf besser und die Patienten befanden sich kürzer in einem sogenannten Schock. Auch Entzündungsmarker waren tendenziell niedriger. Unsere Studie zeigte jedoch insgesamt keine signifikanten Verbesserungen. Dass sich der Zustand insgesamt leicht besserte, könnte also auch ein Zufall gewesen sein und unsere Studie daher mit „negativ“ bewertet werden. Allerdings konnten wir Patienten zumindest vorübergehend besser stabilisieren, was uns erlaubt, andere Maßnahmen zu ergreifen. Was sagen andere Studien über die Wirksamkeit der Blutwäsche bei Langzeit-COVID-19? Derzeit gibt es keine zuverlässige Behandlung für das lang anhaltende COVID-Syndrom. Die aktuelle deutsche Leitlinie zu Langzeit-COVID-19 enthält nicht einmal eine klare Vorgabe zur Definition und Diagnostik. Das bedeutet, dass wir Ärzte bis heute nicht genau sagen können, was die konkrete Ursache einer Langzeit-COVID eigentlich ist. Aus diesem Grund ist es derzeit so schwierig, eine wirksame Behandlung anzubieten. Denn wenn ich das Problem nicht kenne, wie soll ich dann sinnvoll damit umgehen? Sie würden Patienten mit COVID-19 also keine Dialyse empfehlen? Da es keine positiven Studien zur Wirksamkeit der Blutreinigung beim langfristigen COVID-Syndrom gibt, kann ich es nicht empfehlen. Vom reinen Studienstand spricht derzeit einfach nichts für deren Einsatz. Natürlich gibt es immer wieder Einzelfälle, wie in unserer Spezialstudie, aber ein Allheilmittel ist es sicherlich nicht. Für welche Einzelfälle ist das genaue Vorgehen angemessen? Die von uns angewandte Methode wird noch in weiteren Studien mit Patienten untersucht, die akut und sehr schwer an Infektionen erkrankt sind und auf einer Intensivstation behandelt werden müssen. Bei Menschen, die lange nach der Infektion erschöpft sind, Kopfschmerzen haben und weniger belastbar sind, müssen alle anderen natürlichen Ursachen ihrer Symptome ausgeschlossen werden. Daher sollten Ärzte immer zuerst abklären, ob eine andere Erkrankung, wie zum Beispiel Depressionen oder Herzerkrankungen, vorliegt. Ich bezweifle, ob es für einen Blutreinigungsprozess indiziert sein kann. Ist Blutwäsche ein hohes Risiko? Blutgefäßpunktionen können Infektionen und Blutungen verursachen. Wird Blut durch Filter und Schläuche abgepumpt, kann auch der Kreislauf Probleme bereiten. Die Medikamente, die Sie geben müssen, um zu verhindern, dass es in den Filtern und Schläuchen gerinnt, können ebenfalls Unverträglichkeiten verursachen. Hier müssen Sie also die typischen Risiken aller Blutreinigungsverfahren bedenken – ohne nachgewiesene Linderung der Symptome eines langjährigen COVID-Syndroms. Einige Langzeit-COVID-19-Kranke verwenden derzeit ihre Ersparnisse, um ihr Blut zu reinigen, insbesondere in Kliniken auf Zypern. Verzweiflung ist groß. Wie bewertest du das? Ich kann verstehen, dass es verlockend klingt, wenn jemand einfach etwas aus dem Blut entfernt und verspricht, dass die Symptome verschwinden. Im Moment gibt es aber nichts Greifbares, was speziell gegen das Langzeit-COVID-Syndrom wirklich hilft. Nur eine “Blutwäsche” zu machen ist wie Lotto spielen. Es ist viel mehr Forschung erforderlich, um die Wahrscheinlichkeit einer Linderung oder Heilung zu erhöhen. Über den Experten: Dr. medical Dominik Jarczak ist Facharzt für Innere Medizin, Notfallmedizin und Innere Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), einer der führenden Kliniken Europas. Dort leitet er das Studienbüro der Intensivklinik. Er führte kürzlich eine Pilotstudie zur Blutreinigung durch, die bei Intensivpatienten mit COVID-19 eingesetzt wurde. Verwendete Quellen:

Interview mit Dr. Dominik Jarczak S1-Leitlinie nach COVID/Langzeit-COVID