Altkanzler Schröder hat nach Ansicht der Schlichtungskommission mit seinen Kontakten zu Russland keine Parteiregeln verletzt. Die Entscheidung kann angefochten werden. Schröder darf vorerst Mitglied der SPD bleiben.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit seinem Engagement für russische Staatsunternehmen nicht gegen den Parteiauftrag der SPD verstoßen. Der zuständige Ausschuss sieht keinen Anlass für eine Beschwerde oder gar einen Parteiausschluss.
„Die Schlichtungsstelle des SPD-Unterbezirks des Landkreises Hannover hat entschieden, dass dem Angeklagten Gerhard Schröder kein Verstoß gegen die Parteiordnung vorliegt, da ihm kein Verstoß nachgewiesen werden kann“, teilte der Ausschuss in erster Instanz mit.
Die Entscheidung kann innerhalb von zwei Wochen angefochten werden. Diese ist zunächst schriftlich vorzulegen und dann innerhalb eines Monats schriftlich zu begründen.
“Für Gerhard Schröder gibt es also keine Konsequenzen”, Catrhine Lejeune, NDR, zum Engagement des Altkanzlers in der SPD
Tagesschau 15:00 Uhr, 8. August 2022
17 Anklageerhebungen gegen Schröder
Mindestens 17 SPD-Gliederungen hatten ein Protestverfahren gegen Schröder beantragt, weitere Anträge entsprachen nicht den formalen Anforderungen. Die Schlichtungsstelle in Hannover hatte den Prozess Mitte Juli öffentlich verhandelt, allerdings unter Ausschluss der Medien. Schröder selbst ist weder persönlich erschienen noch hat er einen Anwalt geschickt.
Zuständig für das Verfahren ist die Schlichtungsstelle des SPD-Unterbezirks Hannover, weil Schröder Mitglied im SPD-nahen Ortsverband Oststadt-Zoo ist. Möglich sind aber noch bis zu zwei weitere Fälle: im SPD-Kreis Hannover und in der SPD-Bundesschlichtungsstelle.
Kritik an Schröders Engagement in Russland
Schröder wird seit langem wegen seiner Nähe zu Russland kritisiert. Er gilt als enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin und war jahrelang für russische Energieunternehmen tätig. Seit Ende seiner Amtszeit im Jahr 2005 ist er als Vorsitzender des Aufsichtsrats für die Nord Stream AG tätig, die russisches Gas über Pipelines durch die Ostsee nach Westeuropa transportiert.
Seit Kriegsausbruch hatte die SPD-Spitze Schröder aufgefordert, seine Positionen bei russischen Energiekonzernen aufzugeben. Im Mai legte Schröder sein Amt im Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Rosneft nieder und lehnte eine Nominierung für einen Posten im Aufsichtsrat des russischen Gasriesen Gazprom ab.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte beschlossen, das vierköpfige Büro des 78-Jährigen zu schließen, weil er als Altkanzler keine Verpflichtungen mehr hatte.
Esken: „Schröder tritt nicht als Altkanzler auf“
SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken hatte Schröder bereits im April vorgeschlagen, die Partei wegen seiner Äußerungen zum Krieg in der Ukraine zu verlassen.
Scharf kritisierte Esken Schröder auch für seine jüngsten Äußerungen zur angeblichen Verhandlungsbereitschaft von Präsident Putin im Ukraine-Krieg. „Gerhard Schröder tritt nicht als Altkanzler auf, sondern als Unternehmer, und so müssen wir seine Äußerungen interpretieren“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Bei allem, was er tut und sagt, handelt er in seinem eigenen Interesse und im Interesse seiner Geschäftspartner.“
Die Reise des Altkanzlers nach Russland
Laut Kreml war Schröder Ende Juli in der russischen Hauptstadt Moskau. Bezüglich des russischen Angriffs auf die Ukraine erklärte Schröder, dass es in der Verantwortung der russischen Regierung liege, den Krieg zu beenden. Die Beziehungen zu Russland sollten jedoch nicht vollständig abgebrochen werden. Im Juli sagte der Altkanzler zudem, er wolle den Kontakt zu Putin aufrechterhalten und glaube nicht an eine militärische Lösung der Ukraine.
Nach der Reise nach Moskau gab Schröder dem Stern sowie den Sendern RTL und ntv ein Interview, in dem er zum Ukraine-Krieg sagte: “Die gute Nachricht ist, dass der Kreml eine Verhandlungslösung will.” Schröders Äußerungen im Interview stießen in Deutschland, aber auch international, bei allen Parteien auf massive Kritik.
Klingbeil: Schröder ist in der SPD politisch isoliert
SPD-Vizevorsitzender Lars Klingbeil äußerte sich zunächst zurückhaltend über das vorläufige Scheitern des Unterlassungsverfahrens der Partei gegen Schröder. „Die Schlichtungsinstanz in Hannover hat rechtskräftig entschieden“, erklärte Klingbeil. Gleichzeitig distanzierte er sich vom Altkanzler: „Für uns steht fest: Gerhard Schröder ist mit seinen Ämtern in der SPD politisch isoliert.“
Am Rande der Mandatsverhandlungen der SPD sagte der Landesvorsitzende der SPD Hannover, Christoph Matterne, es gebe auch viele SPD-Mitglieder, die sich mit Schröder solidarisierten. „Man sagt: Wenn Gerhard Schröder gesperrt wird, dann ist für mich nach 40 Jahren Schluss“, sagte Matterne.