Nur: «Dieser Strategiewechsel wurde sehr oft angekündigt», sagt Vontobel-Analyst Andreas Venditti (49). “Es ist relativ wenig passiert.” Aber das Wichtigste: Ob Investmentbanking oder Vermögensverwaltung – es herrscht die gleiche Risikokultur. Er führt CS-Banker mit exorbitanten Boni auf immer gewagtere Deals in die dunkelsten Ecken der Finanzwelt: Steuerbetrug, Korruption, Geldwäsche, Spionage – der Bank entgeht kein Skandal.

Die Ära Rohner

Risikokultur ist in den Leitlinien der neuen Körner-Strategie jedoch kein Thema. Sie sei «solide» und werde weiter «optimiert», schreibt die Credit Suisse. Es könnte für die Bank keinen besseren Zeitpunkt geben, um dieses grundlegende Problem anzugehen. Denn Thomas Gottstein ist der letzte einflussreiche Vertreter der Ära Rohner. Rechtsanwalt Urs Rohner (62) wurde 2011 Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse. Als die Bank 2014 in den USA wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Milliardenbusse verurteilt wurde, sagte Rohner: «Persönlich haben wir eine saubere Weste.» Diese Kultur der Verantwortungslosigkeit siedelte sich in der CS-Chefetage an und die Skandale vermehrten sich. Elf Milliarden Franken hat die Bank bisher an Bussen bezahlt. Jetzt hält er eine weitere Milliarde dafür bereit. Urs Rohner hat 2021 seinen Hut gezogen – Verantwortung hat er nie übernommen. Stattdessen erhielt er 42 Millionen Franken für sein Dekade der Frömmigkeit. «Was die Verantwortlichen der Credit Suisse in den letzten Jahren getan haben, ist dreist», sagt FDP-Nationalrat und Unternehmer Matthias Jauslin (60). „Kein Firmenchef in Industrie oder Handel würde solche Summen zahlen. Diese kranke Bonuskultur ist auch eine Beleidigung für die vielen Banker, die jeden Tag für einen normalen Lohn einen guten Job machen.”

Aktionäre müssen handeln

Allerdings hält Jauslin es für falsch, politisch in die Bonusstruktur einzugreifen: “Es ist die Pflicht der Aktionäre, dem Wirbel ein Ende zu bereiten.” Zu den Hauptaktionären von CS gehören jedoch Namen wie Harris Associates und Blackrock. Als Teil der Hochfinanz stellen sie das Vergütungssystem kaum in Frage. Die Credit Suisse hat sich per Anfang 2022 von acht Mitgliedern der Konzernleitung getrennt. Im April trat Roche-Chef und Rohner-Partner Severin Schwan (54) aus dem Verwaltungsrat zurück. Alle gehen mit einer sauberen Weste davon – einschließlich Gottstein, der sogar damit prahlt, dass er sein Risikomanagement verbessert hat.

Die Wurzel des Bösen

„Thomas Gottstein hat das Risikomanagement nicht verbessert“, sagt Compliance-Expertin Monika Roth (71). “Im Gegenteil, er hat alles preisgegeben.” Roth bezweifelt, dass es mit neuen Köpfen besser läuft. „Die Risikokultur ist die Wurzel der Probleme bei der Credit Suisse. Man wird sie nicht los, indem man ein paar Äste abschneidet.” Ein Wechsel in der Geschäftsführung ist erforderlich. „Aber Vorstandsvorsitzender Axel Lehmann und der neue CEO Ulrich Körner sind Technokraten. Sie unterschätzen die Bedeutung der Unternehmenskultur.” Diese Kultur führt nicht nur zu Bußgeldern, sondern auch zu Milliardenschäden. Die Kosten für das Investmentbanking sind doppelt so hoch wie die Einnahmen. Aber auch die Ergebnisse der Vermögensverwaltung haben sich deutlich verschlechtert. „Die Zahlen sind erschreckend“, sagt Analyst Andreas Venditti. “Die Credit Suisse wird sich wahrscheinlich aus anderen Bereichen der Investmentbank zurückziehen, was komplex und teuer zu lösen sein wird.”

“zu groß um zu scheitern”;

Compliance-Experte Roth ist noch skeptischer: „Die CS-Skandale sind ein Desaster für den Schweizer Finanzplatz. Es ist völlig unklar, ob die Bank wieder auf die Beine kommen kann.” Ist das Haus des Geldes fertig? „Leider ist auch eine Ansiedlung heute ein realistisches Szenario“, sagt Roth. Aber ist die Bank nicht zu groß, um zu scheitern? Es ist fast wie eine staatliche Garantie! Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey (46) weist das zurück: „Er hat es schon lange nicht mehr. Nach der Finanzkrise hat die Politik mit mehreren Maßnahmen dafür gesorgt, dass der Bund nicht mehr einspringen muss, wenn ein systemrelevantes Finanzinstitut ins Wanken gerät.“ Nach der Staatsrettung der UBS im Jahr 2008 mussten die Grossbanken auf Geheiß des Bundes ihre Kapitalausstattung massiv aufstocken. Und das nicht nur für das laufende Geschäft, sondern auch für Notfälle. Dazu kommen tausende Seiten Katastrophenpläne – pro Bank. Wenn das alles nicht reicht, ist der Ofen im Ernstfall weg. Bern wird nicht eingreifen.

CS könnte fallen

Bei Fortführung des bonusbasierten Risikokurses ist ein CS-Kontingent nicht mehr auszuschließen. Gerhard Andrey hat einen Posten im Nationalrat befördert, der direkt in die Reihen der FDP übergeht. Er will, dass Führungskräfte künftig Eigenverantwortung tragen: „Wir brauchen Regelungen, die die Verantwortung des Top-Managements stärker in den Fokus rücken.“ Und die Kunden? „Es steht Ihnen frei, zu einer bescheideneren Bank zu wechseln“, sagt Nationalrat Jauslin. Tatsächlich verlor die CS im zweiten Quartal des Jahres 7,7 Milliarden Franken an Kundengeldern. Die Bank hat ein Vertrauensproblem. Egal, wie viele Milliarden er von einer Sparte in die andere verschieben kann, gerettet wird er nur, wenn er mit der Kultur der Ära Rohner bricht.