Deutschland muss ab 2023 weniger Getreide anbauen – aus Gründen des Artenschutzes. Aufgrund von Lieferengpässen will Landwirtschaftsminister Özdemir nun aber umstellen. Der Bauernverband begrüßt dies, fordert aber mehr.

Aufgrund angespannter internationaler Agrarmärkte infolge des Ukraine-Krieges dürften Landwirte in Deutschland auf mehr Flächen als erwartet Getreide anbauen können. Nach einem Kompromissvorschlag von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sollen die neuen EU-Regelungen zu Flächenstillegung und Fruchtfolge im kommenden Jahr einmal ausgesetzt werden. Brüssel hatte die Umsetzung der Vorgaben den jeweiligen EU-Staaten überlassen.

Artenschutz versus Ernährungssicherung

Hintergrund sind die ab 2023 geltenden EU-Verordnungen, nach denen ein Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche für den Artenschutz genutzt werden muss. Außerdem sollte es aus Gründen des Bodenschutzes nicht mehr möglich sein, zwei Jahre hintereinander dieselbe Ackerkultur auf derselben Fläche anzubauen.

Nach Angaben des Ministeriums wird die Flächenstilllegung im kommenden Jahr einmal ausgesetzt. Stattdessen solle der landwirtschaftliche Anbau weiterhin möglich sein, „allerdings – entsprechend den Zielen des Kommissionsvorschlags – auf die Lebensmittelproduktion beschränkt“.

Mais oder Sojabohnen sind von dem Plan nicht betroffen

Dies gilt für Getreide – kein Mais –, Sonnenblumen und Hülsenfrüchte – kein Soja. Zudem gilt der Vorschlag nur für Flächen, die nicht bereits in den Jahren 2021 und 2022 als Ackerbrache ausgewiesen wurden. „Bestehende Biodiversitätsflächen bleiben damit weiterhin geschützt und können ihre Natur- und Artenschutzleistungen als und für eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen“, so der Ministerium.

Russlands Präsident Wladimir Putin spiele laut Özdemir mit dem Hunger – und das auf Kosten der Ärmsten der Welt. Gleichzeitig ist der Hunger dort größer, wo die Klimakrise bereits gravierende Folgen hat. Daher muss für mich jede Maßnahme zur Lösung einer Krise geprüft werden, damit sie nicht eine andere verschlimmert.

Der Bauernverband fordert eine weitere Verlängerung

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, begrüßte den Vorschlag grundsätzlich, kritisierte ihn aber auch: „Diese Entscheidung kam spät und in letzter Minute.“ Während Özdemir sagte, dass die Betriebe jetzt wissen, was sie in ein paar Wochen säen können, sagte Rukwied: Wir Landwirte haben bereits mit der Planung der Ernte für das nächste Jahr begonnen und brauchen Planungssicherheit.

Auch der Bauernverband kritisierte den aktuellen Zeitplan: Eine einjährige Sperre reiche Rukwied nicht aus. Um weiterhin eine sichere Ernährung zu gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssen alle Bereiche, in denen Landwirtschaft sinnvoll ist, genutzt werden können. Die Bundesländer müssen dies nun schnell bestätigen.

Greenpeace sieht Ernährungssicherheit als Vorwand

Die grundsätzliche Kritik an Özdemirs Plänen kam von der Umweltorganisation Greenpeace. Ihr Experte Matthias Lambrecht sagte, dass Biodiversitätsschutzgebiete wirtschaftlichen Interessen geopfert werden. „Aber Ernährungssicherheit in Kriegszeiten ist nur ein Vorwand, um wertvolle Lebensräume zu unterpflügen“, sagte er. Der dort angebaute Weizen wird erst im nächsten Jahr und in unzureichenden Mengen verfügbar sein, um die akute Welthungerkrise wirksam zu bekämpfen. Mit einem Ausstieg aus Biokraftstoffen könnte ein Vielfaches an Getreide sofort bereitgestellt werden. Die Umwelthilfe forderte auch ein sofortiges Ende aller Agrartreibstoffsubventionen und die Umwidmung von Land für die Nahrungsmittelproduktion.

Zustimmung für Özdemirs Vorschlag kam dagegen aus Baden-Württemberg und der FDP. Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), der zugleich Vertreter der von der Union geführten Agrarressorts der Länder ist, lobte Özdemir für seinen endgültigen Rückzieher. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Carina Konrad. Jetzt müssen die Regelungen schnell und rechtssicher umgesetzt werden, da die Aussaat unmittelbar bevorsteht.

Getreideanbau: Aussetzung der Fruchtfolge und Flächenstillegung

Uwe Jahn, ARD Berlin, 6.8.2022 14:54 Uhr