Christoph Heufken stürzt auf den Korbstuhl. Er holt tief Luft und atmet dann wieder aus. „Von 2021 bis jetzt bin ich fünf Jahre erwachsen geworden“, sagt er und lacht. Bitteres Lachen. Klingt so, als wolle Heufken seine wahre Situation vertuschen. „Ich bin nicht so erschöpft wie jetzt“, sagte der 63-Jährige und erinnerte sich an mehr als 20 Jahre im Palacio Sant Salvador. Ein Boutique-Hotel in Arta, etwa eine Autostunde von der Hauptstadt Palma entfernt. Was ihn genau runterzieht, kann Heufken kaum in Worte fassen. “Da liegt Anspannung in der Luft. Das leichte Herz, die Fröhlichkeit ist weg”, sagt der hochgewachsene Mann mit Brille, Dreitagebart und Glatze. Christoph, eigentlich Christophorus, Heufken in seinem Korbsessel: Von 2021 bis jetzt „ist er fünf Jahre älter geworden“, sagt er. Vergangenes Osterfest traf ihn einmal t-online. (Quelle: Kloft / t-online)
Touristen kehren zurück
Heufken gehört zu den Zehntausenden Menschen auf der Insel, die vom Tourismus leben. Oder besser gesagt: es lohnt sich. Die Pandemie hat das Geschäft stark zerstört, die Touristen blieben aus. Und mit ihnen die Lebensgrundlage für viele Mallorkern. Vor der Corona-Krise machte der Tourismus direkt und indirekt mehr als 40 Prozent des Nationaleinkommens der Balearen aus. Bis 2020 war die Quote auf 14,2 Prozent gesunken. 2021 gab es zumindest eine leichte Erholung auf 27,7 %. Touristen kehren jetzt zurück, die Maßnahmen wegen des Coronavirus sind größtenteils gefallen. Schätzungen zufolge sind zu Ostern etwa so viele Gäste auf Mallorca wie zu den Feiertagen 2019, beim Ballermann gibt es wieder Partys in überfüllten Kneipen (t-online berichtete). Touristen spazieren am Strand von Arenal, Palma (Symbolbild): Der Tourismus ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor auf Mallorca. (Quelle: Clara Margais / dpa) Auch die spanische Finanzministerin Nadia Calviño zeigte sich kürzlich erfreut: „Die Balearen werden einer der Motoren der wirtschaftlichen Erholung Spaniens sein.“ Doch die Auswirkungen der Pandemie werden lokale Restaurants und Hoteliers noch lange treffen.
Die Armut nahm rapide zu
Auch Pfähle. Rund 50.000 Euro habe der 63-Jährige durch die Corona-Pandemie verloren, sagt er. Versuche immer noch das Geld zurückzubekommen. Er glaubt nicht wirklich daran. “Vielleicht solltest du akzeptieren, dass er für immer verloren war.” Houfken gehe es noch relativ gut, versichert er ihm. Andere hatten es viel schlimmer. Tatsächlich nahm die Armut während der Corona-Zeit rapide zu (t-online berichtete letztes Jahr). Von Anfang 2020 bis 2021 hat sich die Zahl der Menschen, die in extremer Armut auf den Balearen leben, laut einer Studie der UIB-Universität auf etwa 34.000 verdoppelt. Demnach galten im vergangenen Jahr 320.000 Einwohner als arm, also mehr als jeder Vierte der 1,18 Millionen „Balearen“.
„Armut wird nicht so schnell verschwinden“
Leider gedeihen Hilfsorganisationen immer noch. Ebenso wie die Heimke Mansfeld, die im Frühjahr 2020 als gemeinnütziger Verein gegründet wurde, ist sie nun als Institution organisiert. Der Name: „Hope Mallorca“, Hoffnung für die Baleareninsel. Wenn Sie mit Mansfeld sprechen, versucht er das zu verbreiten. Schließlich müsse er mit etwa 160 Freiwilligen nur etwa 2.200 Menschen ernähren, sagt er. In der Hochphase waren es über 5.000. Seien Sie unter der Woche vorsichtig. Aber Mansfeld ist auch Realist. Er sagt: „Die Armut wird nicht so schnell verschwinden. Es hat sich bis nach Mallorca ausgebreitet.“ Auch weil es kaum Hilfe vom Staat gibt, fallen Saisonarbeiter ohnehin in jedes Raster. Tausende leben immer noch unter der Armutsgrenze, sagt Mansfeld, der Vollzeit als Friseur und Stylist arbeitet. Eine vorübergehende Unterkunft für Obdachlose – mitten in Palma de Mallorca (Archivbild). (Quelle: Wölk / t-online) “Vor allem Mieten sind jetzt schwer zu bezahlen.” Manche Menschen haben einen Job, können sich aber weder eine Wohnung noch Essen leisten. „Die Wohnungsnot hat sich in Palma verschärft“, sagt er. “Es gibt Leute, die Schuhe ohne Sohlen tragen, weil sie es sich nicht leisten können, neue zu kaufen.”
“Die Lebenshaltungskosten hier sind explodiert”
Hinzu kommen die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine: steigende Strompreise, steigende Treibstoffpreise, steigende Lebensmittelpreise. “Die Lebenshaltungskosten hier sind explodiert”, sagte Mansfeld. Laut dem Statistikdienst INE sind die Verbraucherpreise auf den Balearen im März 2022 um 9,4 % im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. In Deutschland lag die Inflation im gleichen Zeitraum bei 7,3 Prozent. Der Präsident der Verbraucherschutzorganisation Consubal, Alfonso Rodríguez, hält die Lage für schwierig. „Hier auf den Balearen sind wir bei der Lage der Insel extrem von der Außenwelt abhängig“, sagte er der deutschsprachigen Mallorca Zeitung. Wird der Transfer teurer, wirkt sich das auf die Endverbraucherpreise vieler Produkte aus. Blick auf das kleine Heufkens Hotel. (Quelle: Wölk / t-online) Dabei entstehen manchmal “sehr absurde Situationen”, sagt Heufken. Am Morgen des Gründonnerstags zerbrach er in einem der acht Zimmer des Hotels einen Duschkopf. “Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass so etwas passieren würde.” Die Lieferung dauert mindestens einen Monat und Sie müssen das Fünffache des tatsächlichen Preises bezahlen. „Wir sprechen von Alltagsgegenständen, die zum Problem werden“, sagt der Hotelier.
„Spendenbereitschaft ist eingebrochen“
Schließlich wirken sich hohe Preise auch auf die Personalsuche aus. Wegen der hohen Lebenshaltungskosten kämen viel weniger Menschen vom Festland, sagt Heufken. Und wenn, dann wohl in den großen Hotelketten, die sich besser bezahlen lassen könnten. Partysänger Mickie Krause kehrt natürlich nach Mallorca zurück und gibt dort Konzerte. (Quelle: Bilder imago) Er musste sein Restaurant in seinem Hotel in Arta geschlossen halten, weil er keinen Koch finden konnte. In seinem anderen Restaurant im Dorf Colònia de Sant Pere, 15 Minuten entfernt, sagten zwei Kellner vor zwei Wochen spontan ab. Sie hätten eine andere Arbeit erledigt, für die sie bisher nicht fahren mussten. Obwohl sie bereits einen Vertrag unterschrieben haben, sagt Heufken. Heimke Mansfeld: Er ist Präsident der Stiftung Hope Mallorca. (Quelle: Videoausschnitt / Wölk / t-online) Mansfeld stellt eine weitere Folge der steigenden Lebenshaltungskosten fest: “Die Spendenbereitschaft ist stark gesunken.” In der jetzigen Situation sind Mittel wohl dringender denn je. Auch weil „Hope Mallorca“ Menschen aus der Ukraine hilft. Zwei Flüchtlingsfamilien wurden bereits in Wohnungen untergebracht, bald sollen es weitere werden, sagt Mansfeld.
“Es wird nie wieder so sein”
Und Pfähle? Trotz allem will er weitermachen. Letzte Woche erlebte er einen Tiefpunkt und dachte daran, mit dem Rauchen aufzuhören. Christoph Heufken: Der gebürtige Kölner betreibt seit mehr als 20 Jahren ein Boutique-Hotel auf Mallorca. (Quelle: Kloft / t-online) „Ich könnte einfach jemanden als Mitarbeiter einstellen“, schildert er hinterher seine Gedanken. Am nächsten Morgen fing er sich wieder. Auch jetzt will Heufken nicht an einen Abgang denken. „Ich lebe auf Mallorca. Irgendwann wird es besser“, sagt er und erhebt sich von seinem Stuhl vor seinem Hotel. “Auch wenn es nie wieder so sein wird.”