Einfach eine VR-Brille aufsetzen und im nächsten Moment im Flugzeug sitzend mit der eigenen Flugangst konfrontiert werden? Oder zusehen, wie eine große, haarige Spinne in 3D täuschend echt durchs Badezimmer kriecht? Auf einer Klippe stehen und den Schwindel spüren, der entsteht, wenn man in den Abgrund starrt? Die sogenannte „Virtual Reality Exposure Therapy“ (VRET) arbeitet mit solchen Konfliktszenarien, um verschiedene Phobien mit Hilfe der virtuellen Realität zu behandeln. Neuseeländische Forscher und Entwickler haben jetzt eine umfangreiche App für den privaten Gebrauch vorgestellt, die dabei helfen soll, Phobien wie Flugangst, Höhenangst, Nadel-, Hunde- und Spinnenangst zu überwinden. Die App heißt oVRcome und ist in allen gängigen App-Stores erhältlich. Sie basiert auf den Ergebnissen einer an der neuseeländischen University of Otago, Christchurch, durchgeführten Studie, die die Wirksamkeit einer VR-gestützten Therapie belegt.

Die Studie verspricht großes Potenzial

In dem im vergangenen Jahr durchgeführten dreimonatigen VR-Studienprogramm wurden 129 Personen fünf verschiedenen virtuellen Szenarien ausgesetzt, die jeweils aus Flugangst, Höhenangst, Angst vor Nadeln, Spinnen oder Hunden entstanden sind. VR-Simulationen sollen zunächst das Unbehagen hervorrufen, die angstauslösende Situation zu erleben. Als nächstes wurde untersucht, ob das regelmäßige Nebeneinander von Reizen die Angst der Probanden während des Tests verringern konnte. Unmittelbar nach Studienende und sechs Wochen später wurden die Probanden gebeten, den aktuellen Schweregrad ihrer Phobie auf einer Skala zwischen 0 und 40 selbst einzuschätzen. Auch Probanden, die zu Beginn einen Wert zwischen 26 und 40 eingaben Das Programm, das auf eine mittelschwere bis schwere Phobie hinweist, zeigte mit Werten von bis zu 7 nur geringe Symptome. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Angstsymptome der Teilnehmer nach sechs Wochen um bis zu 75 % zurückgegangen waren. Obwohl die Virtual-Reality-Therapie keine neue Erfindung ist – erste Ansätze finden sich bereits in den 1990er Jahren – ist sie bisher vor allem ein Zweig der akademischen Forschung geblieben. Forscher der University of Otago sehen im Fall von oVRcome jetzt erstmals eine praktikable und leicht zugängliche Möglichkeit für selbstgesteuerte Behandlungen per Smartphone-App, vor allem wegen der geringen Kosten. Adam Hutchinson, Gründer von oVRcome, hofft, dass dies mehr Menschen helfen wird, ihre Phobien zu überwinden. Er betont gerne, dass die App auf einer starken klinischen Studie basiert: „Ein kürzlich in den USA veröffentlichter Bericht ergab, dass 86 Prozent aller Apps, die für die psychische Gesundheit entwickelt wurden, nicht durch klinische Beweise gestützt werden. Darunter wollten wir nicht fallen“, sagt der Unternehmer.

Die VR-App als Lösung für Versorgungslücken?

oVRcome bietet derzeit eine Therapie für 11 verschiedene Phobien für etwa 60 US-Dollar an, die sechs Wochen Premium-Zugang zu allen Beta-VR-Simulationen und ein inbegriffenes VR-Headset beinhalten. Nutzung per App: Das eigene Smartphone wird mit der ausgewählten Simulation auf dem Bildschirm in die VR-Brille eingesetzt – ähnlich wie bei GearVR. Die App ist in 19 Ländern verfügbar, darunter auch in Deutschland. Dass die Behandlungsmethode inzwischen bei jedem zu Hause durchgeführt werden kann, kann durchaus positiv sein – zumal viele Angstpatienten, insbesondere solche mit Sozialphobien, oft Barrieren haben, sich aktiv um die Überwindung ihrer Angst zu bemühen. Ein weiteres Hindernis ist die teilweise eingeschränkte Erreichbarkeit von Behandlungsangeboten, oft verbunden mit Wartelisten oder hohen Kosten. Für viele Menschen ist die Behandlung auch mit einem Stigma verbunden. Schätzungen zufolge suchen bis zu 80 Prozent der Betroffenen keine professionelle Hilfe auf. „Die Coronavirus-Pandemie hat unser Vertrauen in entfernte Gesundheitsdienste gestärkt. Dies ist eine Gelegenheit, diese Statistiken in Frage zu stellen und den Bedürftigen bessere Angebote zu machen“, sagte Hutchinson. Gemeinsam mit Forschern der University of Otago will Hutchinson nun in weiteren klinischen Studien untersuchen, ob die VRET-Technologie auch bei anderen psychischen Störungen wie Depressionen, Drogenmissbrauch, Ess- und Panikstörungen oder Versagensängsten eingesetzt werden kann.

Virtuelle Begegnung mit echten Ängsten

Die Expositionstherapie ist Teil der Verhaltenstherapie und bedeutet, Patienten mit ihren Phobien gezielt anzugehen, ohne sie in eine ernsthaft gefährliche oder gefährliche Situation zu bringen. Die therapeutische Methode wird standardmäßig in der Psychotherapie eingesetzt. Die Wirksamkeit des VRET-Ansatzes, bei dem Patienten mittels Virtual Reality in eine als bedrohlich empfundene Umgebung versetzt werden, wurde auch durch mehrere klinische Studien belegt. Positive Ergebnisse erzielte beispielsweise gameChange, die bisher größte VR-gestützte klinische Studie zu Psychotherapie, die von Juli 2019 bis Mai 2021 in Großbritannien durchgeführt wurde. Bei dem an der Universität Oxford entwickelten Virtual-Reality-Therapieprogramm konnten Patienten zwischen sechs verschiedenen VR-Szenarien wählen, die sie im Alltag meiden: etwa den Besuch eines Cafés oder einer Kneipe, den Einkauf im Supermarkt oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Jede VR-Session wurde zudem von einem virtuellen Coach begleitet. Nach sechs Wochen VR-Behandlung waren die schizophrenen oder psychotischen Symptome der 346 Probanden signifikant reduziert. Spanne {Breite: 5 Pixel; Höhe: 5px; Hintergrundfarbe: #5b5b5b; }#mailpoet_form_11{border-radius: 0px;text-align: left;}#mailpoet_form_11 form.mailpoet_form {padding: 20px;}#mailpoet_form_11{width: 100%;}#mailpoet_form_11 ;mailpoet_mes: padding: 0 20px;}#mailpoet_form_11 .mailpoet_paragraph.last {margin-bottom: 0} @media (max-width: 500px) {#mailpoet_form_11 {background-image: none;}} @media (min-width: {500x) #mailpoet_form_11 .last .mailpoet_paragraph:last -child {margin-bottom: 0}} @media (max-width: 500px) {#mailpoet_form_11 .mailpoet_form_column:last-child .mailpoet_paragraph:last-bottomld: {0} ]] Auch eine größere Metastudie konnte die Wirksamkeit der VRET-Behandlungsmethode untermauern: Untersucht wurden die Ergebnisse von insgesamt 34 klinischen Studien, die zwischen 2017 und 2021 veröffentlicht wurden.Die Autoren der Metastudie kamen zu dem Schluss, dass der Therapieansatz effektiv ist Behandlungsmethode sowohl bei Angststörungen als auch bei Depressionen und kann herkömmliche Behandlungen wesentlich unterstützen. „Damit die Behandlung funktioniert, muss das Gehirn wissen, dass es sich in dieser Umgebung befindet. Mit der Zeit wird es unempfindlicher“, sagt Hutchinson. Wenn man sich beispielsweise ein einfaches Foto oder Video ansieht, versteht das Gehirn normalerweise, dass diese Umgebung nicht real ist. Mit Hilfe der virtuellen Realität kann dem Gehirn jedoch vorgegaukelt werden, dass es sich tatsächlich in dieser Umgebung befindet. “Das macht die Behandlung so effektiv”, sagt Hutchinson.

Vielversprechende App mit Hürden

Obwohl die VR-Konfrontationstherapie bereits positive Ergebnisse zeigen kann, ist eine breite Anwendung in therapeutischen Praxen oder Krankenhäusern derzeit nicht realistisch. VR braucht Platz, um richtig genutzt zu werden. Außerdem ist die Installation der Technologie zeitaufwändig und erfordert Tests durch entsprechend geschultes Personal, um sicherzustellen, dass alles ordnungsgemäß funktioniert. Auch der Kostenfaktor darf nicht vergessen werden: Bisher war diese Behandlungsform meist nur bei einer einzelnen Phobie mit Hightech-Geräten möglich und daher eher in der akademischen Forschung zu finden. Das Potenzial einer breit angelegten Technologie, die in der Verhaltenstherapie eingesetzt werden kann, konnte nicht voll ausgeschöpft werden. Auch deshalb wird die Technik oft mit Skepsis betrachtet. Eine Studie der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) zeigt jedoch, dass Therapeuten, die die VRET-Technologie selbst ausprobiert haben, durch Selbstversuche viel empfänglicher für die Technologie waren. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Skepsis der Therapeuten ein großes Hindernis für die Verbreitung der VRET-Behandlungsmethode darstellt. Während der VRET-Methodik noch einige Hindernisse im Weg stehen, bevor sie von einem reinen Forschungsthema zu angewandter virtueller Realität im Allgemeinen übergeht, wenden einige Psychotherapeuten die Behandlungsmethode seit langem an. Darunter der Marburger Verhaltenstherapeut Felix Eschenburg, der in seiner Praxis den niederschwelligen Zugang der Technik nutzt und besonders bei Patienten mit Höhenangst, Spinnen- oder Wespenangst anwendet. Letztere nutzt auch auditive Reize, die den Patienten den Eindruck einer herumfliegenden Wespe vermitteln. Im Interview haben wir mit Felix Eschenburg darüber gesprochen, was VR…