Auch innerhalb der SVP gab es Ressentiments. Die SVP habe laut dem Politologen ein System der Provokationen und Entschuldigungen.
Bekannt als Provokateur: Andreas Glarner, Nationalrat und Präsident der SVP Aargau. Sein Weg beleidigt, Freund und Feind. Zuletzt sorgte er mit einem Artikel im Magazin «Schweizerzeit» für Aufsehen. Darin macht er den Westen für den Krieg in der Ukraine verantwortlich und fordert ihn auf, Gebiete an Russland abzutreten.
Das war selbst vielen SVP-Politikern zu viel. Sie kritisierten Glarner öffentlich. Zuvor wurde ihm vorgeworfen, mitverantwortlich dafür zu sein, dass die SVP bei den letzten Wahlen im Aargau mit ihrem kruden Politikstil Wähler verloren hat. Der interne Streit war am Mittwochabend auch Thema am Parteitag der SVP Aargau.
Familie bedeutet Glaube.
Der Präsident der SVP Schweiz, Marco Chiesa, zeigte sich in Aarau überrascht. Er rief seine Parteifreunde auf, sich zusammenzuschließen. „Wir sind eine Einheit. „Familie bedeutet Glaube“, sagte Chiesa und warnte davor, dass Probleme innerhalb der Partei auch intern und nicht über die Medien diskutiert werden sollten.
Bildunterschrift: Marco Chiesa reiste nach Aarau. Der Aargau ist auch für die Schweizer SVP wichtig, da der Aargau eine Hochburg der SVP ist. Bei der letzten Nationalratswahl kam die SVP hier auf 31 Prozent der Stimmen. SRF/Mario Gutknecht
Andreas Glarner selbst entschuldigte sich am Parteitag für den Artikel und betonte, er sei missverstanden worden. “Sie können Putin nicht verstehen und einen Krieg niemals gutheißen”, sagte Glarner gegenüber SRF. Er befasste sich mit der Beleuchtung des historischen Kontextes und der Präsentation eines Lösungsvorschlags. Auf Äußerungen zur internationalen Politik werde Andreas Glarner künftig jedoch verzichten, betonte er.
Die Mischung aus Herausforderung und Zusammenarbeit ist seit langem das Erfolgsrezept der SVP.
Die Entschuldigung von Andreas Glarner ist nur die jüngste in einer Reihe. Vertreter der SVP fordern gerne heraus, nicht nur Glarus. In Erinnerung bleiben provokative Inserate („Kosovaren zerreißen Schweizer“) oder Plakataktionen (Stichworte wie Schafe oder Minarette). Zuletzt musste sich SVP-Bundesrat Ueli Maurer der Herausforderung stellen, als er im Trychler-T-Shirt auftrat. SVP-Politiker entschuldigen sich danach oft – wie Ueli Maurer oder jetzt Andreas Glarner.
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“Diese Mischung aus gezielter Herausforderung und ernsthafter Zusammenarbeit zeichnet die SVP seit langem aus”, sagt Sarah Butikofer, Politikwissenschaftlerin an der Universität Zürich. Das war lange Zeit das Erfolgsrezept der Volkspartei. In den letzten Jahren hat die Partei jedoch bei mehreren Wahlen in der ganzen Schweiz an Wahlbeteiligung verloren. Auch die provokative Politik gegen Corona-Maßnahmen habe diesen Trend noch nicht umgekehrt, sagt Bütikofer. Eine Stiländerung scheint derzeit nicht zu erwarten. Das zeigt nicht nur die Debatte um Glarners Artikel, sondern auch den Angriff auf die «linken Schmarotzerstädte». Der neue Parteivorsitzende Marco Chiesa hat diese Ausgabe am 1. August letzten Jahres begonnen und bewusst provokativ argumentiert. Daher wird es in weiteren Wahlkämpfen wohl Herausforderungen und vielleicht auch die eine oder andere Ausrede geben. Echo der Zeit, 14. April 2022, 18:00 Uhr braa, ledn