Das Arbeitsvolumen zur Wiederherstellung des normalen Lebens sei „wirklich riesig“, sagte Selensky am Samstagabend in seinem Nachmittagsvideo. Ihm zufolge sind bei der russischen Offensive gegen die Ukraine 2.500 bis 3.000 ukrainische Soldaten getötet worden.

Minenräumung

Die ukrainischen Behörden arbeiten weiterhin daran, das normale Leben in Gebieten, die noch unter ukrainischer Kontrolle stehen, wiederherzustellen, sagte Selenskyj. Das Arbeitsspektrum in 918 Städten und Gemeinden unterschiedlicher Größe ist riesig. Es werden Bergbauarbeiten durchgeführt und die Versorgung des Geländes mit Strom, Wasser und Erdgas wiederhergestellt. Auch die Polizei, die Post und die lokalen Behörden setzen ihre Arbeit fort. In der Region Sumy im Nordosten des Landes wurden die Bahnverbindungen wiederhergestellt oder werden mit der Stadt Tschernihiw im Norden wieder aufgenommen. Humanitäre Hilfskräfte wurden bisher an 338 solcher Standorte eingesetzt. Sie leisteten unter anderem medizinische Notfallversorgung, sagte Selenskyj. Auch Schulen und andere Bildungseinrichtungen sollen nach Möglichkeit wieder öffnen. Russische Truppen hätten seit Freitag 1.018 Bildungseinrichtungen im Land zerstört oder zerstört, sagte Selenskyj. Die Informationen konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Schwere Schäden in Sieverodonetsk und Charkiw

Auch die Stadt Siewjerodonezk in der Region Luhansk erlitt laut ukrainischen Quellen schwere Schäden durch den russischen Offensivkrieg. Nach Angaben des Leiters der Militärverwaltung der Stadt, Olexandr Strjuk, wurden etwa 70 % der Stadt zerstört. Die wichtigsten Straßen seien schwer beschädigt und auch die Wasserversorgung sei bis zur Durchführung der Reparaturarbeiten unterbrochen worden, sagte Stryuk gegenüber dem ukrainischen Staatsfernsehen. Von den rund 130.000 Einwohnern vor dem Krieg leben nur noch etwa 20.000 Menschen dort.

Nach Angaben der Regierung wurden für Samstag insgesamt neun humanitäre Evakuierungskorridore vereinbart, unter anderem um Mariupol und Luhansk. Zivilisten sollten Mariupol am Samstag in Privatautos verlassen können, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk. Im Gebiet Luhansk sind fünf Korridore geplant. Nach Angaben der örtlichen Behörden steht es unter schwerem Beschuss. Bei einem Bombenanschlag auf das Industriegebiet der ostukrainischen Metropole Charkiw sind laut ukrainischen Quellen mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Unter den Opfern sei auch ein sieben Monate altes Baby, teilte die Staatsanwaltschaft der Region Charkiw am Freitagabend auf Facebook mit. Die Ukraine meldete auch einen russischen Luftangriff auf einen Flughafen in der Stadt Oleksandriya in der Region Kirowohrad in der Zentralukraine. Die Rettungsaktion werde fortgesetzt, schrieb Bürgermeister Serhiy Kuzmenko auf Facebook. Angaben zu Schäden oder Verletzten gab es zunächst nicht.

Anschläge in Kiew

Nach offiziellen Angaben ist die ukrainische Hauptstadt Kiew bei einem neuen russischen Angriff unter Beschuss geraten. Im Raum Darnyzja habe es mehrere Explosionen gegeben, teilte Bürgermeister Vitali Klitschko am Samstag im Nachrichtensender Telegram mit. Angaben zu möglichen Opfern gab es zunächst nicht. Klitschko appellierte an die Bevölkerung, den Luftalarm der Behörden nicht zu ignorieren. In der ukrainischen Hauptstadt gibt es mehrmals täglich Luftalarm. Da die Menschen, die den Angriffen entkommen sind, nun nach Kiew zurückkehren, bat der Bürgermeister darum, dies zu beenden und an sicheren Orten zu bleiben.

Moskau hatte kürzlich mit einem Angriff auf Kommandozentralen in Kiew gedroht, nachdem die ukrainische Armee angeblich russisches Territorium bombardiert hatte. Nach unbestätigten Berichten in der Ukraine kam es im Westen des Landes in der Region Lemberg erneut zu Explosionen.

Selenskyj fordert neue Sanktionen

Selensky forderte erneut härtere Sanktionen gegen Moskau. „Das nächste Sanktionspaket gegen Russland muss einen Verzicht auf russisches Öl beinhalten“, sagte er am Abend in einer Videoansprache. Selensky bezeichnete die derzeitigen Sanktionen gegen Russland als „ernsthaft“, aber nicht ausreichend. “Wir fordern stärker, zerstörerischer.” Der Krieg könnte auch verkürzt werden, wenn Kiew schnell alle benötigten Waffen erhält.

Der EU-Fragebogen ist fast fertig

Laut Selenskyj hat die Ukraine die Beantwortung eines Fragebogens zum EU-Beitritt fast abgeschlossen: “Das Projekt ist fast abgeschlossen und wir werden die Antworten bald den Vertretern der Europäischen Union zur Verfügung stellen”, sagte Selenskyj. Selenskyj erhielt den Fragebogen Ende letzter Woche während eines Besuchs von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Zelenskyi hatte damals vorausgesagt, dass Kiew sehr schnell reagieren würde – vielleicht innerhalb einer Woche.

Russland hat unterdessen Proteste gegen Waffenverkäufe an die Ukraine in viele westliche Länder geschickt. Darunter seien auch die Vereinigten Staaten, wurde die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Zakharova, von Interfax zitiert. Laut “Washington Post” warnt Moskau in dem Brief davor, dass solche Lieferungen “unvorhersehbare Folgen” haben könnten.