Ab: 18.04.2022 19:00 Uhr
Ein junger russischer Diplomat hat jahrelang in Berlin versucht, mit jungen deutschen Politikern klarzukommen. Auf WDR und SZ verfügbare Dokumente enthüllen das Netzwerk des Kreml-Gesandten.
Die Russische Botschaft in Berlin ist ein imposanter Gebäudekomplex. Es wurde in der Kaiserzeit erbaut und im Zweiten Weltkrieg bei Luftangriffen weitgehend zerstört. Es wurde dann wieder aufgebaut. Eine der personell größten diplomatischen Vertretungen Russlands. Die Botschaft hat eine eigene Schule, einen geschlossenen Wohnkomplex für Diplomaten und ihre Familien, ein Schwimmbad und sogar einen Tennisplatz.
Der Verfassungsschutz beobachtet die Architektur derweil nicht, wenn er die Botschaft im Berliner Regierungsviertel beobachtet. Aus Sicht des deutschen Geheimdienstes ist die Botschaft vor allem eines: ein Stützpunkt für Spione und Informanten aus Moskau. Bis zu einem Drittel des diplomatischen Personals soll “nachrichtendienstlichen Hintergrund” haben, also für einen der russischen Geheimdienste arbeiten. Geheimdienstoffiziere überwachen die Botschaft und ihre Mitarbeiter genau. Und sie warnen weiterhin vor ihren Aktivitäten.
Ein jahrelang in Berlin stationierter russischer Diplomat war offenbar besonders aktiv, wenn es darum ging, Kontakte zu deutschen Politikern und Wirtschaftsvertretern herzustellen. Daniil Anatolyevich Bisslinger, 33, ein großer, dünner Mann mit blondem Scheitel und einem wachsamen Auge. Menschen, die ihn getroffen haben, beschreiben ihn als charmant, urban, charismatisch, großzügig. Bislinger spricht fließend Deutsch, hat an der Staatlichen Sprachuniversität Moskau studiert, soll familiäre Wurzeln in Baden-Württemberg haben und zeitweise sogar als Übersetzer für Wladimir Putin gearbeitet haben.
Eine gemeinsame Recherche des WDR und der Süddeutschen Zeitung sowie Dokumente ergaben, dass Journalisten des Dossier Centers – einer Online-Plattform für den Putin-Kritiker Chodorkowski – nachweisen konnten, wie fleißig der junge Russe versuchte, ein politisches Netzwerk in Deutschland aufzubauen … und Unternehmertum.
Von 2012 bis Ende 2017 arbeitete Daniil Bisslinger als Mitläufer bei der russischen Botschaft in Berlin, in der Abteilung Außenpolitik, wo er offenbar für Kontakte zu politischen Parteien, insbesondere Jugendorganisationen, wie der AfD Jungen Alternative, zuständig war Organisation. . Der Diplomat posiert glamourös auf einem Foto mit Markus Frohnmaier, JA-Präsident. Die beiden sollen sich schon oft begegnet sein.
Im August 2014, nach der rechtswidrigen Annexion der Krim, trat Bisslinger bei einer Veranstaltung junger AfDler in Stuttgart auf. In seiner Rede stellte er in Frage, ob Russland überhaupt in der Ostukraine aktiv sei, und behauptete, die Sanktionen würden seinem Land und Deutschland gleichermaßen schaden. Die AfD verabschiedete sich mit einem Applaus von den Folgenden.
Andere Politiker in Sicht
Und der russische Diplomat zielte offenbar auch auf Nachwuchspolitiker aus SPD und Union. Etwa der 2015 verstorbene Präsident der Jungen Union, Philipp Mißfelder, der aktuelle SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil oder der spätere CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn. Zum Bisslinger-Netzwerk gehörten auch Mitarbeiter des Bundestags, Unternehmensberater von McKinsey, Vertreter der Energielobby und Technologieinvestor Christian Angermayer.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Diplomaten Lobbyarbeit und Öffentlichkeitsarbeit für ihr Land leisten. Für Russland geht es vor allem um die Energiepolitik, etwa die Förderung des Pipeline-Projekts Nord Stream 2, die Verbesserung des Kreml-Images in Europa oder die Aufhebung von Sanktionen. Dazu setzt Moskau seit vielen Jahren viele Diplomaten und Spione in der deutschen Politik und Wirtschaft ein. Die Grenze zwischen legaler Lobbyarbeit, Einflussnahme und Spionage durch die Geheimdienste ist laut deutschen Sicherheitsbehörden oft fließend.
Der ehemalige Bisslinger-Nachfolger lud laut WDR und SZ einsehbaren Unterlagen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien zu Veranstaltungen ein, bei denen er offenbar neue Kontakte knüpfte oder vertiefte.
Zum Beispiel bei der Deutsch-Russischen Young Leaders Konferenz oder bei den bekannten „Feuerwehrgesprächen“ in kleinen Gruppen. Im Frühjahr 2015 reichte Bisslinger seine Vorschläge für eine Gästeliste bei einer Energielobby in Berlin ein. Er mahnte, den Teilnehmerkreis auf Bundestagsabgeordnete zu beschränken. Auf der Liste stehen die CDU-Politiker Missfelder, Spahn und Thomas Bareiß, der CSU-Abgeordnete Tobias Zech und der SPD-Politiker Klingbeil. Die Veranstaltung sollte im Soho House in Berlin stattfinden und Bisslinger schrieb, dass die PR-Agentur von Gazprom die Kosten übernehmen könne.
Die CDU-Politiker Spahn und Bareiß sagten heute auf Nachfrage, sie seien nicht an der Veranstaltung teilgenommen – und auch zu Bisslinger habe es keinen Kontakt gegeben. Auch der aktuelle SPD-Vorsitzende Klingbeil sagte, sein Büro habe keinen Kontakt zu dem russischen Diplomaten. Deutlich erfolgreicher war Bisslinger jedoch bei anderen Abgeordneten und deren Mitarbeitern, wie die Unterlagen zeigen.
Offenbar ein intensiver Meinungsaustausch mit CSU-Politikern
Einen besonders intensiven Austausch pflegte Bisslinger mit dem CSU-Abgeordneten Tobias Zech. Der Politiker war damals unter anderem Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Im Sommer 2021 verließ er den Bundestag, weil er von einem nationalkonservativen Politiker aus Nordmazedonien ein Beratungshonorar erhalten hatte.
Zeh und der russische Diplomat hatten einst nominelle Bedingungen. Der CSU-Mann fragte vor einer geplanten Reise der bayerischen Landesdelegation nach Russland im Sommer 2017, ob er helfen könne, Gesprächspartner zu finden.
Tobias Zech (CSU), Aktenbild Bild: dpa
Bislinger half gerne, nannte Kontakte und schlug einen Besuch im Kreml vor. Der Diplomat musste Zeh, der auch beim Weihnachtsempfang in der russischen Botschaft herzlich willkommen war, helfen, sich mit dem Sprecher der russischen Staatsduma zu treffen und eine Einladung zum Russischen Investitionsforum 2017 in Sotschi zu erhalten.
„Hervorragende Zusammenarbeit“
Der Kontakt war für Beaslinger offensichtlich fruchtbar: Im September 2015 sagte der CSU-Abgeordnete Zehch in einer Pressemitteilung, die Bundesregierung solle „Sanktionen …