Energiekrise, Inflation, soziale Unruhen – der Vorsitzende der Linkspartei sieht Deutschland schwere Zeiten bevor. Die Regierung zeige sich zurückhaltend, sagte Schirdewan im ARD-Sommerinterview.
Angesichts hoher Energie- und Lebensmittelpreise schlug Martin Sirdevan, Co-Vorsitzender der Linkspartei, auf die Bundesregierung ein. Handlungsunwille oder -unfähigkeit, wenn es um „gerechte Lastenverteilung der erwarteten Krise“ gehe.
Durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Folgen drohe eine „soziale Katastrophe, bei der eine riesige Welle der Energiearmut auf das Land zurollt, die gleichzeitig zusammen mit der Inflation dazu führt, dass sich die Menschen diese Lebensmittel nicht mehr leisten können die Mieten steigen weiter“, sagte Schirdewan.
Sommerinterview mit Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Linken
Bericht aus Berlin, 7. August 2022
Der Herbst der Proteste
Zudem bestehe die Gefahr, dass das Land in eine „offensichtliche Krise der Demokratie“ gerät. Die extreme Rechte hat bereits mit der Mobilisierung begonnen. Es geht ihnen nicht um die soziale Frage, sondern um ihr antidemokratisches Programm. “Wir laufen als Gesellschaft in einen perfekten Sturm.”
Auch seine Partei wird im Herbst zu Demonstrationen aufrufen. Ziel sei es, Druck auf die Bundesregierung auszuüben und sie zum Handeln zu bewegen, sagte der 47-Jährige. Die Linke wird für eine Gaspreisobergrenze, ein Mietmoratorium und ein Verbot von Gas- und Stromschlössern kämpfen. Sie drohen, wenn Menschen ihre Rechnungen nicht bezahlen können.
Vorschlag zur Überschussbesteuerung
Schirdewan kritisierte Finanzminister Christian Lindner dafür, dass er sich weigere, “sich auf die Großen und Mächtigen einzulassen” und “die Gewinner der Krise zahlen zu lassen” – etwa in Form einer überhöhten Gewinnsteuer. Auch Bundeskanzler Olaf Solz steht aus unerklärlichen Gründen auf der Bremse.
Er verwies auf einen Vorschlag der Sozialdemokraten in Österreich, die dort in der Opposition sind. Laut Schirdewan baten sie darum, die Gewinne der Energieunternehmen in den letzten drei Jahren zu betrachten und einen Durchschnitt zu berechnen. Alles, was zehn Prozent über diesem Wert liegt, soll laut Konzept entfernt werden. Aus den Einnahmen kann der Staat sozialpolitische Maßnahmen finanzieren.
„Interne Probleme“ jetzt „Interne Lösung“
Schirdewan sitzt im Europäischen Parlament und ist dort Ko-Vorsitzender seiner Fraktion. Sie führt die Partei mit Janine Wissler – aber nur vorübergehend: Auf dem Parteitag im Juni war sie nicht als Nachfolgerin der zurückgetretenen Susanne Hennig-Wellsow vorgesehen.
Die Partei wird seit Jahren von internen Grabenkämpfen und jetzt auch von einer Sexismusdebatte geplagt. Bei der Sonntagsfrage nach dem aktuellen Trend der ARD Deutschland liegt sie derzeit vier Prozent unter ihrem Ergebnis bei der Bundestagswahl. Schirdewan gilt als ostdeutscher Pragmatiker, er will einen “klaren politischen Kurs” einschlagen. Die Linke werde nun “interne Probleme” “intern aufklären”. Auf dem Parteitag wurden politische Positionen – etwa zum Verhältnis zu Russland – geklärt. Unterschiedliche Stimmen sind ein “Spiegelbild der Gesellschaft”.