Dieses Forschungszentrum war den Gründern der Immuno AG, den Chemikern Johann Eibl und Otto Schwarz, besonders wichtig. Damals sei in Wien kein Platz dafür gewesen, sagt Herwig Brudik, der seit 1989 in der Spielstätte arbeitet und heute Produktionsleiter ist. Stattdessen belebte er in Orth ein ehemaliges Sägewerk, das im Zweiten Weltkrieg völlig zerbombt wurde und jahrzehntelang in Trümmern lag.
„Ich hätte nie gedacht, dass das Unternehmen so groß wird“
Die 1960 gegründete Immuno AG errichtete 1966 zunächst Europas erstes Plasmapheresezentrum in Wien. Die Immuno AG war an der Fraktionierung von Humanplasma, einem Impfstoff gegen FSME und der Herstellung von Fibrinkleber (Gewebekleber) beteiligt. „Hier siedelte sich ein Unternehmen an, von dem man nie gedacht hätte, dass es so groß werden würde“, erinnert sich der heutige Bürgermeister Johann Mayer (ÖVP), der damals auch sein erstes Geld für ein Praktikum auf der Baustelle verdiente. Takeda Das ehemalige Sägewerk in Orth an der Donau, das im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört wurde Der Schwerpunkt bei Orth lag zunächst auf der bakteriologischen Forschung, aber auch die Qualitätskontrolle von Arzneimitteln wie Blutplasmaprodukten war hier zusammengefasst. 1982 startete das Unternehmen mit rund 60 Mitarbeitern. Die Mehrzahl zog es aus Wien ins Marchfeld, aber schon damals bekamen die Einheimischen Arbeit. Einem Lkw-Fahrer in einem Betonwerk zum Beispiel gefiel der Standort so gut, dass er sich als Träger bewarb.
Rot-weiß-rote Erfolgsgeschichte
Die Produktion des bis heute bekannten FSME-Impfstoffs blieb zunächst in Wien verankert, wurde aber in den Folgejahren sukzessive von Wien nach Marchfeld verlagert. „Hier ging es darum, den Impfstoff zu verbessern und eine höhere Ausbeute zu erzielen“, sagt Brudik. Auch die Entwicklung des FSME-Impfstoffs gilt in der Branche heute als rot-weiß-rote Erfolgsgeschichte. Das durch Zecken übertragene FSME-Virus wurde erstmals vor mehr als 100 Jahren im Raum Wiener Neustadt nachgewiesen. Christian Kunz vom Institut für Virologie der Universität Wien gelang es 1973 erstmals, eine kleine Menge eines experimentellen Impfstoffs zu entwickeln. „Mein Kollege Dr. Hoffman und ich haben uns gegenseitig geimpft und abgewartet, wie der Test ausfallen würde“, sagte Koons einmal in einem Interview.
1973: Neue Impfung gegen das FSME-Virus
Bereits 1976 begann die Immuno AG mit der industriellen Produktion des Impfstoffs. Zunächst wurden nur Risikogruppen wie Land- und Forstarbeiter geimpft. Doch nachdem 1979 677 FSME-Fälle dokumentiert wurden, startete 1981 die erste breit angelegte Informationskampagne – mit Erfolg: Die Impfquoten lagen seit Jahren konstant über 80 Prozent, so dass die Erkrankungsfälle auf 50 to reduziert werden konnten 100 Fälle pro Jahr.
Zeckengefahr
Viele Zeckenarten sind wichtige Krankheitsüberträger. Einige von ihnen übertragen das FSME-Virus. Eine Heilung der ausgebrochenen Krankheit ist nicht möglich, die Krankheitssymptome können nur so weit wie möglich gelindert werden. Es gibt auch keine Impfung danach. Ein Zeckenstich kann Ihr ganzes Leben verändern. Die Impfung gegen Tuberkulose ist laut Experten die wichtigste Form der Prävention und bietet den wirksamsten Schutz vor der Krankheit. WAS Allerdings ist die Herstellung des Impfstoffs aufwendig. Ein einzelner Produktionslauf dauert etwa neun Monate. Pfizer, das 2014 die Impfstoffproduktion übernommen hat, produziert derzeit in Orth jährlich rund zehn Millionen Impfstoffdosen. „Das Werk ist ein wichtiger Produktionsstandort und wir sind stolz darauf“, betonte Robin Rumler, CEO der Pfizer Corporation Austria, 2016 anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Impfstoffs. Auch, weil die Liste der Länder, in denen der TB-Impfstoff benötigt wird, mittlerweile immer länger wird. Allein in Europa gibt es etwa 30 Länder mit Endemiegebieten. Viele tausend Fälle der Krankheit werden jedes Jahr gemeldet. FSME tritt jedoch auch in Russland und im Ausland wie Asien auf. Auch in Österreich ist eine Ausbreitung zu beobachten, beispielsweise in den Tiroler Tälern, wo immer wieder neue Infektionsherde gefunden werden.
Pionierarbeit und “Forschergeist”
Diese Pionierarbeit war es auch, die die Arbeiter auf diesem Gebiet von Anfang an inspirierte. Brudik spricht sogar von einer „Gründerzeitstimmung“: „Damals herrschte ein riesiger Forschergeist, Arbeiter waren motiviert, nach Orth zu kommen.“ Auch weil man noch nicht ahnen könne, “wie das alles ausgehen wird”. Takeda Das Forschungszentrum in Orth ist im Laufe der Jahre von fünf auf heute 36 Gebäude gewachsen Während dieser Zeit lag der Fokus einerseits auf Virusimpfstoffen und andererseits auf der Produktion von Antikörpern – aber alle befanden sich eher im Forschungsstadium als in der spezifischen Entwicklung, betont Brudik. Denn normalerweise bekommt man als Arbeiter ein Produkt, „das dann 20 Jahre lang produziert wird“. Als reines Forschungslabor konnten die Mitarbeiter mit vielen verschiedenen Viren unterschiedlicher Sicherheitskategorien arbeiten. Brudik habe mit hochansteckenden Vogelgrippeviren experimentieren können, „wo wir in Anzügen mit eigener Belüftung gearbeitet haben, wie in Science-Fiction-Filmen, ein unglaublich spannender Moment.“ Das Ziel war immer, etwas zu erfinden, das „Menschen hilft“. Die Forschung war oft auch die Grundlage für Weiterentwicklungen, die bis heute nachwirken. Dieses Wissen mache den Standort bis heute attraktiv, ergänzt der heutige Standortleiter Marian Bendik.
Angst vor der Kobaltkanone
Über die Jahre sei der Standort stetig gewachsen, „wenn auch nicht immer unangefochten“, erinnerte sich Bürgermeister Mayer. In den 1990er Jahren sollte beispielsweise eine sogenannte Kobaltkanone zum Einsatz kommen – ein Strahlentherapiegerät, das als Quelle seiner Gammastrahlung das Radionuklid Kobalt-60 enthält. „Das ist in der Medizin eine ganz natürliche Sache, um Zellen gezielt zu bestrahlen“, sagt Mayer. Österreich
100 Jahre Niederösterreich
Doch das sorgte bei der Bevölkerung für Angst und Aufregung, ganz nach dem Motto: „Wir wollen nichts Nukleares im Dorf, wir wollen nichts dafür“, sagt der jetzige Dorfleiter. Die Gemeinde musste viel Überzeugungsarbeit leisten. Es gab auch Bedenken, was passieren würde, “wenn es brennt”. Mit gemeinsamen lokalen und betrieblichen Brandschutzübungen sei es gelungen, Ängste abzubauen, “und jetzt spürt man sie gar nicht mehr”.
Neuer Besitzer aus dem Ausland
Bis Mitte der 1990er Jahre wuchs die Mitarbeiterzahl auf rund 300 an. In dieser Zeit wurde jedoch erkannt, dass die Immuno AG auf dem Weltmarkt dieser Größe nicht mehr bestehen konnte. Damals machte das Unternehmen einen Umsatz von rund 320 Millionen Euro. Das Geschäft wurde daher 1996 an die amerikanische Baxter-Gruppe verkauft, die bis dahin nur ein Vertriebsbüro in Österreich hatte. Laut Mayer war dies der Beginn eines großen Aufschwungs: „Der Standort ist zu stark gewachsen, da hat man erst gemerkt, welches Potenzial hier steckt.“ Die Zahl der Beschäftigten wuchs auf über 1.000, Baxter war damit der mit Abstand größte Steuerzahler, und Orth war damals sogar eine Pendlergemeinde, hatte also mehr Jobs als arbeitende Einwohner. Takeda Der Pharmastandort liegt am Rande von Orth an der Donau und dem Nationalpark Donau-Auen Diese Entwicklung machte die Gemeinde über die Region hinaus bekannt. „Alle waren stolz auf Orth, wenn man irgendwo hingefahren ist, hat jeder sofort gewusst, dass Immuno oder Baxter da sind“, sagt Mayer, der damals schon Bürgermeister war. Der große Standortvorteil war, dass hier sowohl die Entwicklung als auch die Produktion sowie die Qualitätskontrolle stattfinden. Dies verschaffte Baxter auch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf die Twin Towers in New York ein wichtiges Mandat. Damals, so Mayer, seien Pockenviren “per Terror” – vor allem in die USA – verschickt worden, und deshalb wollten sich die USA mit Impfstoffen bewaffnen. Baxter erhielt den Zuschlag, „weil man alles an einem Ort erledigen konnte, was viel schneller ging“. Dann sei sogar eine Delegation aus Amerika in Orth gewesen, “weil sie es nicht geglaubt haben”.
Die Versuchstierhaltung steht in der Kritik
In der Öffentlichkeit wurde Baxter vor allem mit den AIDS-Affen in Verbindung gebracht, die seit den Tagen der Immuno AG zu Forschungszwecken in Orth gehalten wurden. Seit Mitte der 1980er Jahre werden junge Schimpansen mit dem HI-Virus infiziert, um die Wirksamkeit eines AIDS-Impfstoffs zu testen. Im Nachhinein wissen wir, dass die Mühe vergebens war, die Forscher konnten aus den Experimenten an mehr als 40 Schimpansen keine Erkenntnisse gewinnen.
Die Immuno AG forscht an der AIDS-Impfung
Nach der Anschaffung stand Baxter vor der Frage: Was tun mit den schwer verletzten Schimpansen, die teilweise mit gefährlichen Erregern infiziert sind? Schließlich wurden die 150 Affen, darunter 45 Schimpansen, in einen Baxter gebracht …