Das Forschungsinstitut Sotomo ist zusammen mit dem SonntagsBlick der Frage nachgegangen, wie zufrieden die Bevölkerung mit Bundesräten und deren Leistungen ist. Die wichtigste Erkenntnis: Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung glaubt nicht mehr, dass es in Bern eine Gruppe gibt. Fast zwei Drittel (64 Prozent) glauben, dass die sieben Bundesräte nicht gut zusammenarbeiten. Das ist bemerkenswert in einem Land, das sich als Willensnation versteht und am 1. August den gesellschaftlichen Zusammenhalt feiert. Überraschend sei dieser Wert allerdings nicht, sagt Politgeograph Michael Hermann (50), Geschäftsführer von Sotomo. „Es gibt eine offensichtliche Rivalität im Vorstand. Mit gezielten Indiskretionen wird versucht, sich gegenseitig zu verletzen.” Ein Kampfgeist, der längst über die engen Berner Gassen hinaus spürbar ist und Erinnerungen an vergangene Machtkämpfe weckt. „Es ist vergleichbar mit der Zeit, als Pascal Couchepin und Christoph Blocher an der Regierung waren. Die Bevölkerung registriert diese Atmosphäre“, sagt Hermann. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Zusammenstoß dieser kleinen, zur Zusammenarbeit verdammten Gruppe öffentlich ausgetragen wird.

Parmelin und Amherd ebenfalls auf dem Podium

Während die Bevölkerung die Teamarbeit als ungenügend einschätzt, gehen die Meinungen zur Leistung der einzelnen Bundesräte stark auseinander. Die Arbeit der sieben Abteilungsleiter wurde von den Befragten mit klassischen Schulnoten von 6 (sehr gut) bis 1 (sehr schlecht) bewertet. FDP-Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) ist allen voraus. Königin Karin die Erste schneidet mit 4 Streaks am besten ab. Ihre Arbeit wird in der Westschweiz noch mehr geschätzt als in der Deutschschweiz. Dabei profitiert sie auch davon, dass sie als langjährige Sicherheitsdirektorin von St.Gallen Werte verkörpert, die gefragt sind. Sie gilt als praktische und notfalls knallharte Politikerin, besonders wenn es um Fragen der öffentlichen Sicherheit geht. «KKS» zeigt Bundesrat SVP Guy Parmelin (62) und Verteidigungsministerin Viola Amherd (60, Mitte) auf den Plätzen zwei und drei. Bei der F-35-Beschaffung liefert sich die Walliser Strahlenfrau derzeit einen hässlichen Streit mit dem Finanz- und dem Aussendepartement. Aktuelle Herausforderungen spielen Keller-Sutter zweifellos in die Hände. „Sie konnte sich durch die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge beweisen. Ihre Abteilung steht im Zentrum dieser Krise“, sagt Hermann. In ihrer bisherigen Amtszeit war dies selten der Fall. Das Justizministerium, das garantiert nicht Ihre erste Wahl ist, spielte während Corona bestenfalls eine Nebenrolle. «Karin Keller-Sutter wurde mit Bravour ins Amt gewählt, tauchte dann aber unter. Während der Pandemie waren andere zuerst.” Aber jetzt bekommt es etwas von diesem Glanz zurück, sagt Michael Hermann. So lässt sich der Zuspruch Keller-Sutters als Wunsch nach klarer Führung ablesen.

Cassis’ verwirrte Kommunikation

Der Kontrast zu ihrem Parteikollegen könnte nicht größer sein: Bundespräsident Ignazio Cassis (61) landet mit einer Note von nur 3,2 auf dem letzten Platz. Auch die internationale Konferenz der Ukraine in Lugano TI konnte ihm keine Impulse geben. Die erheblichen Schwierigkeiten der Tessiner zu Beginn des russischen Angriffskrieges und die verworrene Kommunikation darüber, ob und wie die Schweiz Sanktionen gegen Moskau unterstützen würde, haben ihre Spuren hinterlassen. “Seine Mitteilung ist nicht angekommen, man glaubt fast, die Angst vor einer bevorstehenden Abstimmung zu spüren.” Das Wahljahr wirft seine Schatten voraus. Cassis’ Freisinn und die SP werden um ihre Doppelvertretung kämpfen müssen – wobei das Parlament, nicht das Volk, die Wahl treffen muss. Es ist wahrscheinlich, dass Cassis aus der aufkommenden Debatte über eine moderne Interpretation der Neutralität Kraft schöpfen wird. Der politische Mut zu kontroversen Diskussionen fehlt dem Außenminister nicht, wie er im Umgang mit China bewiesen hat. Einer, der für 2023 locker ist, ist Finanzminister Guy Parmelin (62, SVP). Genau Parmeline. Anders als Cassis legte der Waadtländer in seinem Präsidentschaftsjahr 2021 das Image des Prügelknaben ab. Er war es, der in Brüssel das Ende des Rahmenabkommens vertrat und in Genf zwischen US-Präsident Joe Biden und dem Chef vors Weltpublikum trat des russischen Staates Wladimir Putin. In Bern unterstützte er auch Gesundheitsminister Alain Berset (50, SP), als Parmelins Partei auf Freiburg schoss.

Sommaruga vor einem entscheidenden Test

Berset führt jetzt erfolgreich seine öffentliche Demontage durch. Eine viel beachtete Odyssee in Frankreich, die die Entwicklung der französischen Luftwaffe auslöste, ist nur das jüngste Beispiel einer atemberaubenden Serie von Misserfolgen. Nun stehe er vor dem Problem, dass die Öffentlichkeit Negativschlagzeilen nicht mehr als Einzelfälle, sondern als Muster sehe, sagt Hermann. Ob der Gesundheitsminister seine Popularität aus Zeiten der Covid-Krise, als er als Krisenmanager für viele zur Identifikationsfigur wurde, jemals wiedererlangen kann, ist fraglich. Er stellt sich gegen die parteieigene Volksabstimmung für die AHV-Reform, über die im September abgestimmt wird. Für die tapfere SP stellt diese Abstimmung jedoch so etwas wie ein Halbfinale vor der großen Abstimmung bei der Nationalratswahl dar. Für Berset ist es kein leichter Weg. Allerdings bewerten die Befragten die Politikerin Berset immer noch höher als die SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62). Vor einem Jahr verlor die Bernerin unerwartet das zentrale Konto ihres Departements an das CO2-Gesetz. Es folgte der Kollaps der Medienmeute, nun wappnet sie sich gegen den drohenden Blackout – die entscheidende und vielleicht letzte große Bewährungsprobe ihrer politischen Karriere.

Adolfos Ogi wird vermisst

Nur Ueli Maurer (71) ist länger im Amt als der Umwelt- und Energieminister. Letzterer liegt für einmal ohne Verhaltensauffälligkeiten im Mittelfeld des Bundesratsrankings. Sowohl Sommaruga als auch Maurer könnten eines Tages mit einem Rücktritt dafür sorgen, dass der Bundesrat seine Position wiedererlangt und in der Meinung der Bevölkerung besser abschneidet. Die Mehrheit wünscht sich eine andere Zusammensetzung des Bundesrates. Die Sotomo-Umfrage zeigt, dass für 62 Prozent die Zauberformel von zwei Vertretern der SVP, der SVP, der FDP und einem mittleren Bundesrat abgelaufen ist. Allerdings will die Mehrheit weder einen Liberalen noch einen Sozialdemokraten zugunsten eines grünen Bundesrats wählen. Allenfalls eine Figur aus einer anderen Zeit konnte eine Mehrheit gewinnen: Auf die Frage, welcher Bundesrat des 21. Jahrhunderts im heutigen Gremium fehle, hießen satte 54 Prozent Adolf Ogi. Der Berner Oberländer hat die Politik vor fast 22 Jahren verlassen. Eine Wahl, die viel über Auggie und viel über den aktuellen Bundesrat verrät. „Adolf Ogi gilt als menschennaher Brückenbauer. Etwas, was dem heutigen Bundesrat aus Sicht der Befragten fehlt», sagt Michael Hermann. „Er verkörpert die Sehnsucht nach einem kompromittierenden, aber unabhängigen Politiker, der sich nicht als Sprachrohr seiner Partei versteht.“ Es ist bezeichnend, wie stark dieses Bild heute noch präsent ist.