Das Akronym steht für die Pathogenese des Coronavirus. „CoViPa“ ist ein multidisziplinäres Forschungsprojekt, in dem wir untersuchen, wie uns das Virus krank macht und welche Rolle das Immunsystem dabei spielt. Und andererseits, wie können wir uns mit den gewonnenen Erkenntnissen besser auf künftige Pandemien vorbereiten. Dazu nutzen wir die gesamte Expertise aus sieben Helmholtz-Zentren, insbesondere in der Immunologie und Virologie. Auch Partner aus Hochschulen und Unternehmen sind beteiligt. Insgesamt sind wir ein Netzwerk aus 21 Forschungsteamleitern und Medizinern. Wie lange läuft das Projekt? Es startete im August 2021 und dauert vier Jahre. Was sind die Ziele von „CoViPa“? Unser Konsortium hat zwei Hauptziele. Das biologische Ziel: Wir wollen verstehen, wie eine SARS-CoV-2-Infektion Krankheiten verursacht. Das Spektrum der Symptome ist hier unglaublich breit. Von eher asymptomatischen bis tödlichen Verläufen. Ein Ausgangspunkt für dieses Ziel ist die Pathologie der Virusinfektion selbst: Wie tötet das Virus Zellen? Wie giftig ist es? Der zweite Ansatzpunkt ist die Rolle, die das Immunsystem im Krankheitsverlauf spielt. Was normalerweise funktioniert, ist, dass Antikörper und T-Zellen, die als Reaktion auf eine Infektion produziert werden, diese bekämpfen. Aber es gibt auch viele Bereiche, in denen die Immunantwort dazu neigt, die Krankheit zu verschlimmern. Beispielsweise binden Antikörper an das Virus und verschaffen ihm wie ein Gepäck Zugang zu Zellen, in denen die Virus-Antikörper-Komplexe vom Antikörper in die Zellen aufgenommen werden. Auch T-Zellen, die normalerweise infizierte Zellen abtöten, können durch die Infektion in die Irre geführt werden und überschüssige Zellen zerstören. Dies sind Beispiele der klassischen Immunpathogenese, also einer vom Immunsystem verursachten Erkrankung. Ob das auch für SARS-Cov-2 gilt, wollen wir prüfen. Der dritte Ansatzpunkt ist die Immunkontrolle: Was braucht es, um eine Infektion wirksam zu kontrollieren? Also was für Antikörper, T-Lymphozyten und Botenstoffe, die die Zellen in einen antiviralen Zustand versetzen und so vor einer Infektion schützen. Wichtig ist auch herauszufinden, wie das Virus physikalische Barrieren wie die Schleimhaut im Atemwegsepithel oder die Plazenta überwindet. Und das zweite primäre Ziel? Das ist Pandemievorsorge, also das Finden von Strategien zur Prävention im Falle einer zukünftigen Pandemie. Dazu gehört die Entwicklung antiviraler Wirkstoffe oder neuer Behandlungskonzepte. Womit arbeitest du genau? Meine Arbeitsgruppe untersucht primär die Virustoxizität. Wir konnten beobachten, inwieweit das Virus Zellen innerhalb von Stunden nach der Infektion umprogrammiert. Uns interessiert auch die Frage: Wie entsteht der oft erwähnte Zytokinsturm, also die übermäßige und unkontrollierte Freisetzung von Botenstoffen, die eine Entzündungsreaktion auslösen? Wenn Sie sich eine infizierte Zelle ansehen, können Sie sehen, dass das Virusabwehrsystem in der Zelle innerhalb von Stunden nach der Infektion gelähmt ist. Dadurch produzieren die Zellen fast keine Botenstoffe, die benachbarte Zellen in die Defensive treiben könnten. Gleichzeitig wird in der Zelle eine Signalkaskade aktiviert, die zu einer übermäßigen Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen führt. Was lässt sich daraus schließen? Wenn wir diese Mechanismen wie den Zytokinsturm noch besser verstehen, können wir das Wissen auf andere Viren übertragen. Denn ein Zytokinsturm ist an sich nichts Neues. Wir sehen dies bei vielen anderen Infektionen, wie der Grippe, die durch das Influenzavirus verursacht wird. Welchen Beitrag kann „CoViPa“ zur Eindämmung aktueller und potenzieller weiterer Pandemien leisten? Dabei spielt die Realisierung eines breit wirksamen antiviralen Medikaments eine wichtige Rolle. Solche Virostatika sind Wirkstoffe, die nicht nur SARS-Cov-2 bekämpfen, sondern auch alle entfernt verwandten Coronaviren in allen Varianten. Wir müssten diese Wirkstoffe durch klinische Studien der Phase 1 entwickeln. Kommt es zu einer neuen Coronavirus-Pandemie, könnten wir mit diesem Wirkstoff direkt in die zweite und dritte Phase der klinischen Studie gehen und damit gleich zu Beginn der Pandemie über eine potenziell wirksame Behandlung verfügen. Was ist mit anderen Impfstoffen? Eine weitere Strategie zur Vorbereitung auf eine Pandemie ist der Aufbau einer Impfplattform. Im Moment konzentriert sich alles auf das SARS-CoV-2-Spike-Protein. Aber das Virus hat noch viel mehr Antigene. Wir könnten einen Impfstoff entwickeln, der auch andere Antigene des Virus abdeckt und somit potenziell viele Varianten auf einmal abdeckt. Der dritte Ansatz, an dem wir arbeiten, ist die Bioinformatik. Wir können RNA- und DNA-Sequenzdaten mit bioinformatischen Methoden nutzen. Hunderttausende von Sequenzierungsexperimenten aus Gewebeproben menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs sind inzwischen in Datenbanken verfügbar. War das entsprechende Gewebe zum Zeitpunkt der Probenentnahme mit einem (oder mehreren) Viren infiziert, werden automatisch auch die entsprechenden Virusgenome sequenziert. Mit Hilfe der von uns entwickelten Suchalgorithmen können wir daher in diesen Daten nach neuen Viren suchen. Es ist überraschend, dass wir auf diese Weise eine Vielzahl neuer Virusgenome finden können, von denen viele noch nicht beschrieben wurden. Wir untersuchen, wie ähnlich sie beispielsweise bekannten Viren sind, die beim Menschen Krankheiten verursachen. Je ähnlicher, desto größer die Gefahr der Diffusion, also des Überspringens des Virus vom Tier auf den Menschen. In einem weiteren Schritt können wir prüfen, in wie vielen Arten das Virus vorkommt. Tritt es häufig auf, können wir davon ausgehen: Das Virus kann von einer Wirtsart zur anderen wechseln. Aus diesen Datenanalysen wollen wir abschätzen, wie hoch ein potenzielles Übertragungsrisiko für ein bestimmtes Virus ist. Welche Ergebnisse haben Sie bisher erzielt? Und wann werden sie in die Praxis umgesetzt? Nicht alle Ergebnisse sind in der Praxis anwendbar. Zunächst geht es darum, grundlegende Erkenntnisse über die Immunantwort zu gewinnen. Wie schnell eine Immunantwort entsteht, wie lange sie anhält, wann das Infektionsrisiko steigt und so weiter. Wir haben aber bereits konkrete Ergebnisse mit Patentanmeldungen. Zum Beispiel ein breit neutralisierender Antikörper, der nicht nur bei einer Variante wirkt, sondern bei vielen. Diese konnte relativ schnell weiterentwickelt werden. Wir haben dann innerhalb des Konsortiums einen neuen Trägerimpfstoff entwickelt. Und sehr interessante Biomarker. Diese könnten verwendet werden, um im Blut festzustellen, ob eine Person ein hohes Risiko hat, eine schwere Infektion zu entwickeln oder nicht. Das antivirale Breitbandprojekt dauert viel länger, wir sprechen von vielen Jahren. Mit der Impfplattform geht es viel schneller. Wir haben bereits Suchtests durchgeführt, um das Übertragungsrisiko zu ermitteln. Damit sind wir weit gekommen. Wir haben viele neue Coronaviren gefunden, darunter auch sehr exotische mit völlig anderen Genomstrukturen. Aber das stört zunächst nicht. Auch bei Robotiklösungen für die automatisierte Analyse in einem Hochsicherheitslabor sind wir gut vorangekommen. Die Idee ist, die kleinsten im Feld verfügbaren Geräte zu verwenden und mobile Mini-Roboter zu entwerfen, die die Arbeitsschritte von einer Station zur anderen tragen. Auf diese Weise würden krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern nicht mehr zu Staus führen. Alles in allem haben wir in der kurzen Zeit von ‚CoViPa‘ schon viel erreicht. Wie gut sind wir auf den Herbst 2022 vorbereitet? Und für die Zukunft? Ich hoffe, dass die Menschen wieder davon überzeugt werden können, dass das Tragen einer Maske der beste Weg ist, eine Ansteckung zu vermeiden. Und Impfungen sind nach wie vor der beste Schutz vor schweren Erkrankungen. Nicht gegen die Infektion selbst. Wenn die Zahlen im Herbst weiter steigen, werden wir ein echtes Problem mit Personalengpässen auf breiter Front haben. Wie es im nächsten Jahr weitergeht, hängt aus meiner Sicht stark davon ab, ob es neue Varianten gibt. Wenn wir auch im Herbst bei BA.5 bleiben würden, hätten wir eine Chance, eine einigermaßen vernünftige Immunität gegenüber der Bevölkerung aufzubauen. Nachfolgende Wellen wären dann kleiner. Die große Hoffnung ist, dass das Brutgebiet des Virus weltweit kleiner wird, denn dann ist die Gefahr des Auftretens neuer Varianten entsprechend geringer. So hätten wir eine bessere Kontrolle.